75 Jahre Franziskaner auf dem Hülfensberge (1936)

Auf eine segensreiche, 75-jährige Zeit der Vergangenheit konnte am 16. April 1935 der Convent des Franziskanerklosters auf dem Nationalheiligtum des Eichsfeldes, der waldgekrönten Gnadenstätte des Hülfensberges zurückblicken.

Mit dem Convent schaut aber auch in inniger Freude und Dankbarkeit auf das verflossene dreiviertel Jahrhundert zurück die gesamte Bevölkerung des Eichsfeldes und alle, die den viel besungenen Hülfensberg und den Eifer der Mönche kennenlernten, die im braunen Ordenshabit seit jener Zeit Berg und Menschen der Umgebung betreuen.

Über die Entstehung der Franziskanerniederlassung auf dem Hülfensberge berichtet uns die Geschichte dieses alten Wallfahrtsortes Folgendes: Landgraf Christian von Hessen-Rotenburg, dessen Mutter und Geschwister 1681 bzw. 1705 in der Erlöserkirche des Hülfensberges ihre letzte, ehrenvolle Ruhestätte gefunden, – siehe die Gedenktafeln in der Nähe des südlichen Einganges der Wallfahrtskirche – zeigte zum Hülfensberge eine große Liebe, gepaart mit edler, eifriger Tatkraft. Trotzdem der Hülfensberg seit längst vergangenen Zeiten Wallfahrtsort war, herrschten hier recht armselige Verhältnisse, die zu beseitigen sich Landgraf Christian zur Herzensangelegenheit werden lieh. Er ließ eine Kapelle erbauen (1716) um den wallfahrenden Gläubigen eine Erleichterung bei dem gewaltigen Andrang zur Kommunionbank zu verschaffen. Diese Kapelle, die bis 1902 stand, nannte man Fürsten- oder Bonifatiuskapelle. Ferner stiftete er ein Glöckchen und vieles mehr. Um die Seelsorge auf dem Hülfensberge zu vervollkommnen, versuchte Landgraf Christian Franziskaner aus der thür. Ordensprovinz auf den Hülfensberg zu bekommen. Dieser Gedanke fand bei den Franziskanern Anklang. Mit einer erfolgreichen Bittschrift wandte sich der Graf Christian nun an den Papst Benedikt XIV., der auch sein Anliegen am 7. November 1746 dem Kurfürsten und Erzbischof Philipp Karl von Mainz empfahl. Wenn aber der Papst und Kurfürst dem Gedanken des Landgrafen huldigten, lehnten ihn jedoch der Kommissarius Strümper (Heiligenstadt), der Pfarrer Küstner (Geismar) und das Kloster Anrode unter den verschiedenen Einwänden und Bitten ab.

Trotzdem der Landgraf 4000 Taler als Bürgschaft für die Patres beim Kurfürsten hinterlegen wollte, und nach jahrelangen Wartens keine angenehme, erfolgreiche Einigung zu erhoffen war, gab der Landgraf Christian zwar den Plan auf, widmete aber immerhin noch seine Sorge dem Hülfensberge, den er auch zu seiner letzten Ruhestätte auserwählte (+ 1755).

Als während der Zeit der Säkularisation das Kloster Anrode aufgelöst wurde, kam der Hülfensberg durch Schenkung des Besitzers Wedemeyer an die Bischöfl. Behörde in Paderborn. Erst der Aufmerksamkeit des Kommistariatsassessors Konrad Zehrt und des Pfarrer und Dechanten König, Geismar ist es zu danken, dass der Hülfensberg nach dieser traurigen Zeit wieder neues Leben bekam und 1848 das 1100-jährige Jubiläum der Einführung des Christentums durch den hl. Bonifatius gefeiert werden konnte. Für die Beherbergung der Priester, die bei der Wallfahrt aushalfen, wurde nun ein neues Wohnhaus gebaut, mit dem Ziele Errichtung der früher geplanten Franziskanerniederlassung.

Den guten Gedanken des Landgrafen Christian von Hessen machte sich nach 100 Jahren der Pfarrer König von Geismar zu eigen und wandte sich 1846 an das Bischöfl. Kommissariat nach Heiligenstadt. Der damalige Kommissariatsassessor Konrad Zehrt wurde von nun an ein eifriger Verfechter dieser Angelegenheit, und wandte sich in demselben Jahre an die Bischöfl. Behörde in Paderborn. Leider war die Zeit für die Ausführung dieses Planes recht ungünstig und so musste man sich geduldig des Wartens hingeben. Mit den wachsenden Schwierigkeiten steigerte sich aber auch das Interesse des Kommissariatsassessors Zehrt. Im Einvernehmen des Bischofs verhandelte er schon 1850 mit dem sächs. Ordensprovinzial wegen der Franziskanerniederlassung und erhielt auch für später Zusage.

Als aber 1850 sein Plan der Verwirklichung noch sehr fern lag, wandte er sich persönlich an den P. Provinzial in Warendorf (Westf.), der ihn jedoch auch wieder nur auf später vertröstete. Der glühende Eifer des Kommissariatsassessors Zehrt aber erlahmte nicht. 1856 erreichte er wenigstens, dass der Provinzial Janknecht mit dem Definitor P. Severin Orbach den Hülfensberg besichtigte. Die gewaltige Höhe des Berges von Geismar aus, das raue Klima und vieles anderes erweckte bei den Herren recht ungünstige Eindrücke, weshalb auch vom Zwischenkapitel „Der Hülfensberg als Franziskanerniederlassung“ verworfen wurde.

1856 wandte sich Zehrt wieder an den Bischof von Paderborn, Dr. Konrad Martin, der in Geismar, am Fuße des Hülfensberges geboren wurde. In diesem gelehrten Eichsfelder fand er einen mutigen Mitkämpfer. Die Verhandlungen mit den Franziskanern wurden wieder aufgenommen und dem Provinzial die Wahl des Hülfensberges oder des Klüschens Hagis freigestellt. Die Franziskaner wählten nunmehr das Klüschen. Da sich bei den Verhandlungen mit dem Patronat des Klüschens, der Regierung, lange Verhandlungen ergaben, machte der Bischof den Vorschlag, bis zur endgültigen Entscheidung auf den Hülfensberg zu ziehen. Der Plan wurde angenommen und mit dem Vorbehalt ausgeführt, die Patres wieder zurückzuziehen, wenn die Verhandlungen mit der Regierung wegen Hagis erfolglos bleiben würden.

Endlich am 16. April 1860 zogen die ersten beiden Söhne des Hl. Franziskus auf dem Hülfensberge ein, und es gefiel ihnen hier. Die erste Ordensfamilie auf dem Hülfensberge bildeten P. Basilius Heisig, Präses P. Ludwig Nottebaum, Bruder Leonhard van Uum und der Kandidat Josef Engeln. Die Verhandlungen der Regierung wegen Überlastung der Kirche und des Hauses im Klüschen Hagis waren erfolglos.

Auf Zehrts Veranlassung richtete der Bischof Dr. Konrad Martin an die Ordensleitung die Bitte, die Franziskaner auf dem Hülfensberge zu lassen, was auch einstimmig vom P. Provinzial Gregor und den Definitoren gebilligt wurde. Mit dem Einzug der Franziskaner begann für den Hülfensberg eine neue Epoche. Die religiöse Bedeutung steigerte sich von Jahr zu Jahr. Hohe kirchliche Feiern fanden auf dem Hülfensberge des Öfteren statt.

Die Tätigkeit der Franziskaner wurde aber nach 15 Jahren unterbrochen durch die Maßnahmen des Kulturkampfes, die die Mönche am 1. Oktober 1875 vertrieb. Der Hülfensberg verwaiste und verödete fast. 12 Jahre dauerte die unglückselige Zeit des Kulturkampfes, nach der aber die Leitung der sächs. Ordensprovinz den Hülfensberg nicht wieder besetzen wollte. P. Adolf Schirdewahn, der vorher auf dem Hülfensberge Präses war, bemühte sich eifrig um die Wiederbesetzung und seine Bemühungen waren auch von Erfolg gekrönt. Er wurde sogar wieder Präses auf dem Hülfensberge. Am 21. und 22. September zog die Ordensfamilie wieder ein, und wurde von dem gesamten Eichsfelde herzlich begrüßt.

Auf dem Hülfensberge wurde abends aus diesem Anlass ein Freudenfeuer angezündet. Nach der Rückkehr der Franziskaner wurden unter der Leitung des bekannten Baumeisters Bruder Paschalis Gratze die Gebäude grundlegend repariert, das Innere derselben würdig renoviert. 1902 und 1903 wurden wieder umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt. Durch die umsichtige Leitung des Präses vom Hülfensberge, P. Maternus Jungmann, wurde auch das alte Hülfenskreuz kunstgerecht renoviert und wieder aufgestellt. Ferner erhielt in dieser Zeit der Hülfensberg eine Reliquie vom Kreuze des Heilandes und eine des hl. Bonifatius. Zahlreiche Jubiläen, Bischofsbesuche, Glaubenskundgebungen und große Wallfahrten hat seit der Zeit des Einzugs der Franziskaner der Hülfensberg erlebt.

Wenn die Eichsfelder ihrem großen Sohne, dem Bekennerbischof Dr. Konrad Martin, dessen Tatkraft der Hülfensberg seine religiöse Bedeutung fürs Eichsfeld verdankt, auf dem Hülfensberge ein leuchtendes, mahnendes Wahrzeichen, das Konrad-Martin-Kreuz, errichteten, dann haben sie eine Dankespflicht erfüllt. Den Söhnen des HI. Franziskus als treuen Hüter und Wächter des Nationalheiligtums des Eichsfeldes möge eine gesegnete Tätigkeit beschieden sein.

Leo Hucke (Effelder)
(Quelle: „Mein Eichsfeld“, Jahrgang 1936, S. 80 – 84)