Heinrich Struthmann (1852 – 1937) Eichsfelder Fotograf und Tischler

Seinen 85. Geburtstag feiert am heutigen Mittwoch der Photograph Heinrich Struthmann.

Man müsste den geistig immer noch jugendlichen Greis selbst über sein langes Leben hören. Das würde ein köstliches Stündchen. Wer öfter mit Struthmann zusammengetroffen ist und ihn an Vereinsabenden beobachtet bat, bedauert, dass die Erinnerungen dieses Mannes mit seinem bewundernswerten Gedächtnis nicht niedergeschrieben worden sind. Und man hofft, noch manches nachholen zu können.

Schon die ersten Lebenstage waren ein bisschen ungewöhnlich. In Günterode war am 21. Oktober 1852 Ewige Anbetung, als es beim Tischler Struthmann wieder einmal Zuwachs gegeben hatte. Die Kindfrau drehte den Kleinen hin und her, wickelte ihn und sagte mitleidig: „Lotne gleech taufe, de Naacht ebbersteht das Kind nit!“ So wurde der kleine Heinrich in größter Erregung abends gegen acht Uhr noch zur Kirche getragen. Das sind 84 Jahre her, und beute sagt man: „Lasst uns diesmal noch feiern: denn man weiß nicht, was passieren kann.“ Es ist eine gute Mitgift für das Leben, wenn ein Mensch eine frohe Ader erbt. Er kommt über manche Beschwerden des Daseins, an denen andere zerbrechen, scherzend hinweg.

Struthmann ging noch zur Schule, als ihm die Augen für die Sorgen der Familie geöffnet wurden. Der schwächliche Knabe musste schon arbeiten, mitverdienen. Freihändig malte er den Bauern ihren Namen auf die Kartoffel- und Mehlsäcke. Dann musste er Rohrstühle flechten und an die Hobelbank des Vaters treten. Ein dickes Brett diente zur Erhöhung seines Standes. Mit dieser Nachhilfe erst reichte er heran. Schwer wurde ihm die Erlernung des väterlichen Handwerks nicht, doch die Körperkräfte wollten nicht langen und in zwanzig Jahren brachte Heinrich es auf nur 50 Kilo. In der Fremde bildete er sich zum Kunsttischler aus. Er wagte sich an schwere Reparaturen heran und baute selbst Altäre. Schließlich sah er aber ein, dass in seinem Beruf die körperlichen Kräfte allein nicht ersetzt werden können, und so beschloss er, umzulernen.

Beim Photographen Gastrop in der Schillerstraße zu Köln trat er in die Lehre. Bei den damals noch primitiven Hilfsmitteln war das Photographieren nicht ganz so einfach wie heute. Platten und Papier musste man noch selbst präparieren. Von Köln siedelte Struthmann nach Berlin über, um sich bei Eduard Enke in der Leipziger Straße besonders in der Bearbeitung des Negativs und Positivs sowie der Retusche zu vervollkommnen. Noch nach vielen Jahren stand Enke mit dem Gehilfen vom Eichsfelde in lebhaftem Briefwechsel.

1878 kam Struthmann einmal wieder nach Günterode. Seine alten Freunde und der Pfarrer Rheinländer redeten ihm zu, in der Heimat zu bleiben. Als Wohnsitz wurde Arenshausen gewählt. Zehn Jahre übte Struthmann hier beide Berufe aus, um die wirtschaftliche Grundlage für den Betrieb eines regelrechten Ateliers zu schaffen. Bald suchten ihn Männer auf, die an der Photographie interessiert waren, so der Buchdruckereibesitzer Franz Cordier, Kunstmaler Eduard Regler, Architekt Fritz Cordier, Maschinenfabrikant Kühne u. a.

Struthmann bekam und löste seine Aufgaben. Es wurden nun oft Bilder von ihm reproduziert und veröffentlicht. Die älteren Jahrgänge des Eichsfelder Marienkalenders enthalten Proben bester Leistungen. Aber trotz aller Empfehlungen war der Anfang schwer. Die Zeit war eben noch nicht so reif für die Photographie wie unsere Gegenwart. Doch die Schwierigkeiten wurden überwunden, zumal Struthmann die Meisterprüfung mit Auszeichnung bestand.

Der nun auch äußerlich anerkannte Fachmann musste nach Heiligenstadt übersiedeln und wurde er hier recht bekannt. Sein Ruf drang über das Eichsfeld hinaus. Mit Stolz erinnert sich der alte Herr heute an die erste lobende Zuschrift. Sie kam von Sr. Exzellenz General von Hanstein in Hannover. Photograph Struthmann hat im Verlauf der nun kommenden Jahre manches Bild herausgebracht, das als Kunstwerk anzusprechen ist. Viel Zeit hat er mit Erfolg auf die Herstellung guter Vergrößerungen verwandt. Erst als 83-Jähriger gab er wegen abnehmender Sehkraft seinen ihm so lieb gewordenen Beruf auf. Froh wie früher meistert er noch in Tagen gesundheitlicher Beschwerde das Leben. Möge er noch lange unter uns bleiben!

Quelle: Eichsfelder Volksblatt, Jahrgang 1936/ Nr. 247 vom 21.10.1936

Heinrich Struthmann +

Wenige Tage vor Vollendung seines 85. Lebensjahres starb der Photograph Heinrich Struthmann. Trotz seines hohen Alters ist ihm der Abschied von der Welt nicht leicht geworden. Ein langes und schweres Krankenlager ist dem Tode des zähen Mannes vorausgegangen. Er hat noch viel gelitten und in Geduld ertragen.

Fast vor einem Jahre haben wir den Lebenslauf des Verstorbenen wiedergegeben. Wir wiederholen heute einige Daten; denn Struthmann war ein Eichsfelder, der als Persönlichkeit und vor allem mit seiner Arbeit eine besondere Stellung eingenommen hat.

Heinrich Struthmann wurde am 21. Oktober 1852 m Günterode geboren. Sein Vater war Tischler und hatte eine große Familie zu ernähren. Schon als Schuljunge musste Heinrich in der Werkstatt mitarbeiten. Als er 14 Jahre alt war, hätte er schon als „Geselle" in die Welt gehen können. Seine Körperkräfte reichten aber für die schwere Berufsarbeit nicht aus. Als 20-Jähriger hatte Struthmann erst ein Gewicht von 100 Pfund erreicht.

In der Fremde bildete er sich zum Kunsttischler aus. Er reparierte Altäre und baute selbst neue. Schließlich lernte er um. In Köln wurde er Photograph. Von hier ging er nach Berlin. 1878 kehrte er auf das Eichsfeld zurück. Weil er damals als Photograph noch keine Existenz fand, wurde zunächst die Tischlerei als Grundlage benutzt und nur nebenbei photographiert. Nach und nach bekam Struthmann aber so viele Aufträge, dass er an die Eröffnung eines Ateliers gehen musste. Er bestand die Meisterprüfung und verlegte seinen Wohnsitz von Arenshausen nach Heiligenstadt. Hier entfaltete er eine rege Berufstätigkeit. Mit manchem Bilde ist er vor die Öffentlichkeit getreten, manch eigene Idee hat er verwirklicht. Er griff auch zu Pinsel und Palette. So sind aus kleinen Aufnahmen Porträts und Landschaftsbilder entstanden. In dem Buchdruckerei-Besitzer Franz Cordier, dem Kunstmaler Eduard Regler und anderen Männern seiner Schaffenszeit hatte Struthmann gefällige Förderer seiner Arbeit, in der er aufging, bis er als 83-Jähriger wegen abnehmender Sehkraft der Augen „Feierabend“ machen musste.

Der Verstorbene war von Natur aus ein froher Mensch. Er konnte gut erzählen und unterhielt seine Umgebung mit Erinnerungen aus seinem bunten Leben. Ein vorzügliches Gedächtnis kam ihm dabei zu Hilfe. Struthmann war lebendige Heimatkunde. Wenn er in einer Vereinsversammlung das Wort nahm und aus dem Dorfleben berichtete oder über den Durchbruch der Hannoveraner im Jahre 1866 plauderte, so war alles Ohr. Über seine Sorgen und seinen persönlichen Kummer redete er nicht, er wollte ja erfreuen.

Wer Heinrich Struthmann näher gekannt und ihn noch an seinem Sterbebette besucht und gehört hat, der hat ihn hoch geschätzt. Wir haben von Zeit zu Zeit Bilder von ihm veröffentlicht und ihn als Freund unseres Blattes und gelegentlichen Mitarbeiter verehrt. Möge ihm das Eichsfeld, das er so lieb hatte, ein gutes Andenken bewahren!

Quelle: Eichsfelder Volksblatt, Jahrgang 1937/Nr. 243 vom 18.10.1937