Viel Licht aber auch Schatten über der Medienwelt

Wenn man im achten Jahrzehnt seines Lebens steht und die technische Entwicklung der letzten 70 Jahre betrachtet, so ist es schon enorm und grandios, was uns an technischen Geräten in dieser Zeit präsentiert wurde. Sehr vieles zum Guten und zur Erleichterung des täglichen Lebens, aber auch manches was ausartet und unsere heutige Gesellschaft negativ beeinflusst.

So entsinne ich mich noch sehr genau, als meine Eltern Ende der 1930er Jahre unser erstes Radio anschafften. Die Freude in unserer neunköpfigen Familie war riesengroß. Da saß oft die ganze Familie in abendlicher Winterdämmerung vor dem Wunderkasten und hörte gemeinsam Musik, Hör- und Märchenspiele vom Reichssender Leipzig oder dem Deutschlandsender.

Doch bald nahmen die Nazis den Rundfunk für ihre Propaganda in Beschlag und Hitler verkündete am 1. September 1939 großkotzig den Überfall auf Polen als erste sogenannte „Heldentat" über den Rundfunk. Ich war zehn Jahre alt, höre aber heute noch seine Worte in den Ohren klingen. Entsetzen war die Reaktion unserer Eltern. In den ersten Kriegsjahren löste dann eine Sondermeldung im Rundfunk die andere ab, als man vom siegreichen Vormarsch der deutschen Truppen in Polen, Frankreich, Russland u.a. berichteten. Die Sondermeldung wurde mit den gleichen flotten musikalischen Klängen angekündigt. Doch unser Vater nutzte die internationalen Ätherwellen und hörte spätabends den Londoner Rundfunk – einen sogenannten „Feindsender“. Immerhin waren vier meiner Brüder im Krieg und so wollte er sich ein objektives Bild über die Kriegslage verschaffen. Das Hören eines „Feindsenders“ wurde schwer bestraft. Doch je länger der Krieg dauerte – der Rückzug der deutschen Truppen hatte fast die deutsche Reichsgrenze in Ost und West erreicht –, desto mehr geiferte der Reichspropagandaminister Goebbels über den Rundfunk. Berühmt berüchtigt die Veranstaltung vor Nazigrößen im Berliner Sportpalast wo Goebbels über den Rundfunk schrie: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ „Wollt Ihr Butter statt KANONEN?“ Je näher die deutsche Niederlage heranrückte, umso mehr faselte Goebbels noch von der „Geheimwaffe des Führers“ und vom  „Endsieg.“

Doch im Mai 1945 kam, was kommen musste: Der totale Zusammenbruch. Für die Bevölkerung begannen schwere Nachkriegsjahre. Doch die Menschen waren froh, dass alles vorbei war. Es wurde nicht mehr geschossen, bombardiert und gemordet. In Ost und West wurde mit dem Wiederaufbau begonnen und die Menschen konnten sich über kleine Dinge des täglichen Lebens wieder freuen. Erhaschte man bspw. eine elektrische Waschmaschine, einen Staubsauger, einen Elektroherd oder gar einen Kühlschrank, so war dies ein Glückstag für die ganze Familie.

Und als dann gar Ende der 1950er Jahre die ersten Fernsehempfänger vereinzelt in die Familien kamen, da war den Wundem der Technik die Krone aufgesetzt. Die Glücklichen, die zu dieser Zeit einen Fernseher ihr Eigen nannten, hatten zu sonntäglichen Sportsendungen ihre Wohnung voll von Freunden, Nachbarn und Bekannten.

Die Älteren erinnern sich gern an die samstagabendlichen Unterhaltungssendungen mit H.J. Kulenkampff, Heinz Schenk, D. T. Heck, Heinz Quermann, Eberhard Chors u.a. Heute, nach mehr als vier Jahrzehnten Fernsehen könnte man hierzu den Titel eines alten Schlagers in Anwendung bringen: „Ich hab’ mich so an dich gewöhnt.“

Vieles was in den mehr als vier Jahrzehnten über den Bildschirm lief, hat zur positiven Entwicklung unserer Gesellschaft beigetragen. Sei es in der Politik, Kultur, Sport usw. Unsere Menschen sind auch kritischer geworden. Doch mit der Vielzahl und Mannigfaltigkeit der privaten Sender in den letzten Jahren mehren sich die Fälle, wo die Qualität einiger Sendungen streitig wird, ja wo vieles unter die Gürtellinie geht und die Würde des Menschen missachtet wird. Einige verstecken sich hinter unserer Demokratie und deren Medienfreiheit und lassen des Profites willen – Einschaltquoten haschend – haarsträubende Sendungen auf den Zuschauer los. Gewinn, ist an jedem Gerät ein Knopf zum Ausschalten.

Da steckt man monatelang zehn Menschen (natürlich freiwillig) in einen Käfig, als handele es sich um Affen, Meerschweinchen oder Kanarienvögel. Ja, warum lässt man sich einsperren? Jede(r) der Auserwählten glaubt, das Glück auf seiner Seite zu haben und im Handstreich eine Viertelmillion zu gewinnen. Welche nervlichen Auswirkungen dieses „Jeder gegen jeden“ hat, bleibt abzuwarten. Erst in den letzten Tagen wurde in TLZ und TA berichtet, dass die 23-jährige Gewinnerin mit einem Schock nervlich buchstäblich am Boden lag. Oder gar das allerletzte Fernsehspektakel: „Ich heirate einen Millionär.“

Da buhlen 45 junge hübsche Frauen in einer öffentlichen Fernsehsendung um die Gunst eines Mannes, der Millionär sein soll. Sind diese Frauen wirklich dem Trugschluss erlegen, dass ein solcher Handel lange Bestand haben kann und das Wörtchen Liebe verdient? Selbst die Siegerin und Gewinnerin des Millionärs sagte den Medien nach der Sendung: „Es roch nach Fleischbeschau!“ Und eine solche darf man die Würde des Menschen derart mit Füßen treten?

Oder gar die eheliche Trennung des sogenannten Traumpaares B & B. Die Medien sprechen von einem Scheidungskrieg."

Da wird vor einem US-Gericht erstritten, dass ein trauriges Ereignis dieser Art weltweit medienwirksam ausgestrahlt wird. Wir wissen ja, Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Gewiss, Künstler, Stars, Politiker – oft jene, die es werden möchten – plaudern ihre intimsten Dinge der Karriere wegen aus.

Oft haben sie den Medien auch ein Stück ihrer Popularität zu verdanken. Doch wenn es eines Tages steil nach unten geht – ein Karriereknick eintritt –, kann dies schnell ins Negative Umschlagen.

Ein Gleichnis aus der Bibel berichtet: Am Palmsonntag riefen sie: „Hosianna, unser König“ und bereits am Karfreitag: „Ans Kreuz mit ihm!“

Weder fühle ich mich prüde, noch als Moralapostel und Gott Dank auch noch nicht verkalkt. Doch wenn heute ein Querulant aus dem Container als Held gefeiert wird mit seinem Song: „Es ist geil, ein Arschloch zu sein“, verstehe ich wirklich die Welt nicht mehr. Wer ist heute ein Held, muss man da fragen dürfen?

Willi Tasch
(Quelle: „Lengenfelder Echo“, Mai-Ausgabe 2001, S. 5)