Konrad Martin, unser großer eichsfeldischer Landsmann

Dem Andenken des Bekennerbischofs
Zur Einweihung des Konrad-Martin-Kreuzes

Konrad Martin, unser großer eichsfeldischer Landsmann

Man sagt dem Eichsfelder nichts Neues, wenn man daran erinnert, daß im Reformationszeitalter fast das ganze Eichsfeld unter der Führung des einheimischen Adels eine Zeitlang dem Protestantismus angehangen hat. Es ist für den katholischen Glauben zurückgewonnen worden durch seinen Landesherrn, der Erzbischof von Mainz, und durch den aufopfernden Seeleneifer der Jesuiten, die seit 1574 in Heiligenstadt ein Kolleg besaßen.

Die mehr als 200-jährige Erziehungsarbeit der Jesuiten auf dem Eichsfelde, dazu die konfessionell-isolierte Lage, welche die Bewohner vielfältig mit den andersgläubigen Nachbarn zusammenbrachte und sie nötigte, diesen gegenüber ihre katholische Glaubensüberzeugung zu vertreten, später in der preußischen Zeit der langjährige Druck einer fast ausnahmslos nichtkatholischen Beamtenschaft, nicht zuletzt das lebhafte, leicht entzündliche Naturell des eichsfeldischen Volksschlages, das alles waren Gegebenheiten, die auf dem Eichsfelde einen Katholizismus von wetterfester und wehrhafter Prägung hervorgebracht haben.

Unverkennbar ist durch die religiöse Eigenart des Landes das Charakterbild eines seiner größten Söhne, des Bekennerbischofs Konrad Martin, wesenhaft mitbestimmt worden.

Konrad Martin ist wie kaum ein anderer im Kulturkampf ein tapferer und unerschrockener Streiter für die Freiheit der Kirche gewesen. Vor allen Bischöfen Preußens hat er um seiner Standhaftigkeit willen von einer feindlichen Staatsgewalt schweres Ungemach erdulden müssen.

Kein Wunder, daß unter den Oberhirten jener Zeit er es ist, dessen Andenken am frischesten fortlebt im Gedächtnis der deutschen Katholiken.

Das katholische Eichsfeld löst eine längst fällige Ehrenschuld ein, wenn es diesem hochgemuten Bekenner, der zugleich wie kaum ein anderer seiner eichsfeldischen Heimat bis an sein Lebensende in rührender Treue und Anhänglichkeit verbunden geblieben ist, durch ein der Bedeutung des Mannes entsprechendes Denkmal ehrt. Den Eichsfelder Vereinen in der Fremde und ihren Führern wird es für alle Zeit zum Ruhme gereichen, daß sie diese Ehrung angeregt und durch ihre hochherzigen Opfer ermöglicht haben.

Jugend- und Studienzeit

Konrad Martin ist geboren zu Geismar, am Fuße des ehrwürdigen eichsfeldischen Nationalheiligtums, am 18. Mai 1812 als sechstes Kind des Ackerwirts Johannes Martin und seiner Ehefrau Regina geb. Schuchardt. Der Vater bewirtschaftete einen Bauernhof von mäßiger Größe. Als der kleine Konrad fünf Jahre alt war, fiel den Eltern durch Erbschaft ein stattlicher Gutshof im benachbarten Lengenfeld zu, die sog. Meierei. Dahin siedelte die Martinsche Familie über, und dort ist der Knabe aufgewachsen.

Das väterliche Haus war die Heimstätte eines trauten christlichen Familienlebens, das die nachhaltigsten Eindrücke in der bildsamen und begeisterungsfähigen Seele des Knaben hinterließ. Der Bischof hat kurz vor seinem Tode, als er in Belgien in der Verbannung lebte, in einem Erinnerungsbüchlein seine Jugendzeit beschrieben und hier seinen Eltern ein schönes Denkmal gesetzt.

Die Eltern waren, so schildert sie der Bischof, von verschiedener Gemütsart, der Vater mit klarem Verstand begabt, lebhaft, heiter, gesprächig, gesellig. Von ihm hat offensichtlich der Sohn den regen Geist geerbt und das schriftstellerische Talent. Die Mutter war eine stille, fromme Frau, in sich gekehrt, vorsorglich und liebevoll bekümmert. Sie vererbte ihrem Kinde das warme religiöse Empfinden, die innige Liebe zur Kirche. In der Erziehung befolgten beide den alterprobten Grundsatz: „Eltern müssen ihre Kinder lieben; aber sie dürfen sie es nicht wissen lassen, daß sie sie lieben, d. h. sie dürfen sie nicht schwach und nachsichtig lieben, sondern Milde mit Ernst verpaarend.“ „Wieviele kindliche, unschuldige häusliche Spiele, Unterhaltungen und Freuden verschafften sie uns“, fährt der Bischof fort, „aber andererseits hielten sie unnachsichtig und unnachgiebig auf Zucht und Ordnung." Im Elternhause wurde regelmäßig, besonders an den Winterabenden gemeinsame Hausandacht gehalten, in der Advents- und Fastenzeit nach alter christlicher Sitte der Rosenkranz gebetet und das eine oder andere Kirchenlied gesungen. An diesen alten geistlichen Gesängen der Heimat hing der Bischof noch im Alter. Er nennt: Wo ist das Kind so heut gebor‘n. Ist das der Leib. Herr Jesu Christ. Mein Herz entzündt von Lieb‘ entbrinnt u. a. Wenn die entsprechenden Festtage wiederkehrten, konnte er nicht anders, er mußte sie still für sich allein wieder singen, wobei ihm dann lebhaft die glücklichen Jahre der Kindheit vor die Seele traten.

Den ersten Lateinunterricht erhielt Konrad von seinem älteren Bruder Bernhard, der nach der Priesterweihe von 1824           bis 1826 als Kaplan in Lengenfeld wirkte, dann Pfarrer in Diedorf wurde und dort 1835 bereits starb. Im Herbst 1825 bezog er das Gymnasium in Heiligenstadt, die ehemalige Jesuitenschule, wo damals aber kein guter Geist herrschte. Der junge Student entging den ihm drohenden Seelengefahren dadurch, daß die Eltern ihn unter die väterliche Obhut des Kommissariatsassessors Haendly stellten. Unter seinem Namen verbarg sich der Bischof 50 Jahre später in Belgien. Die persönlichen Erfahrungen während der Gymnasialzeit in Heiligenstadt waren sicher nachmals die Ursache, warum Konrad Martin schon im zweiten Jahre seines Bischofsamtes ein Konvikt daselbst ins Leben rief.

Nach bestandenem Abiturientenexamen im Herbst 1830 bezog der achtzehnjährige Jüngling die Universität München. Dort sowohl wie darauf in Halle, Würzburg und Münster widmete er sich dem Studium der Theologie und Philosophie, der klassischen und orientalischen Sprachen. Zweiundzwanzigjährig bestand er 1834 in Münster das theologische Doktorexamen mit einer Arbeit über die Verleugnung des Petrus.

Sein Ziel war das theologische Lehramt, wozu ihn wissenschaftliche und literarische Begabung besonders befähigten. Gerade in dieser Beziehung konnte ihm aber die Heimatdiözese keine Zukunftsaussichten bieten. Die alte Universität Paderborn war durch den König von Preußen 1818 aufgehoben worden und vegetierte kümmerlich fort. Durch einen Studienfreund veranlaßt, trat deshalb Martin in das Priesterseminar in Köln ein und empfing hier am 27. Februar 1836 die Priesterweihe.

Die erste Anstellung führte den Neupriester an die Rektoratschule in Wipperfürth. Eine Arbeit wider den Hermesianismus, die Irrlehre der damaligen Zeit, lenkte 1837 die Aufmerksamkeit des Kölner Koadjutors und nachmaligen Kardinalerzbischofs Johannes von Geissel auf das tüchtige Talent des Wipperfürther Rektors. Er ist ihm fortan ein Gönner und väterlicher Freund geblieben.

Religionslehrer und Universitätsprofessor

Nach viereinhalbjährigem Wirken in Wipperfürth wurde Konrad Martin im September 1840 als Religionslehrer an das Marzellengymnasium in Köln berufen. Hier ist einer seiner ersten Schüler der spätere Gesellenvater Adolf Kolping gewesen. Zwischen Lehrer und Schüler hat sich ein Freundschaftsverhältnis entwickelt, das bis zum Tode Kolpings im Jahre 1865 währte.

In Köln gab Martin 1844 zum ersten Male sein Religionshandbuch heraus. Es erlebte bis 1874, als der Kultusminister Falk es verbot, 15 Auflagen, und wurde an allen katholischen Gymnasien Preußens eingeführt und ins Französische und Ungarische übersetzt.

Im Herbst 1843 bemühte sich Bischof Richard Dammers in Paderborn, den Dr. Martin als Professor der Dogmatik an die noch nicht ganz reorganisierte theologisch-philosophische Fakultät zu ziehen. Anfangs schien es, als ob die Übersiedlung zustande kommen werde. Dann aber erklärte der Koadjutor von Geissel, daß er den tüchtigen Priester nicht ziehen lassen könne, weil er ihn selbst benötige. Tatsächlich ernannte er ihn bald darauf, im Herbst 1844, zum Direktor des theologischen Konviktes in Bonn, worauf auch die Berufung zum Professor der Moral an die dortige Universität folgte.

Die Jahre in Bonn sind ausgezeichnet durch fleißiges Arbeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Theologie. Daneben bemühte sich der eifrige Priester um die Studentenseelsorge. Abwechselnd mit Professor Dieringer hielt er an den Sonn- und Festtagen Predigten und Vorträge für die Studenten. Sein Wirken sowohl als Konviktsdirektor wie als Hochschullehrer fand ehrende Anerkennung dadurch, daß Geissel, der nach dem Tode des Erzbischofs Klemens August von Droste-Vischering diesem in der erzbischöflichen Würde gefolgt war, ihn 1853 zum Wirklichen Geistlichen Rat und Mitglied des Generalvikariats in Köln ernannte.

Noch größere Ehrungen standen dem durch seine gelehrten Schriften schon in ganz Deutschland bekannt gewordenen Professor bevor.

Der Bischof

Am 5. November 1855 starb der Bischof Franz Drepper in Paderborn. Das Domkapitel reichte an das Ministerium in Berlin eine Liste mit fünf Kandidaten ein. Diese waren der Weihbischof Baudri in Köln, der Generalvikar Melchers in Münster, die Professoren Dieringer und Martin in Bonn und der Oberpfarrer Keller in Aachen-Burtscheid. Die Regierung strich drei von den Vorgeschlagenen, so daß nur zwei, Martin und Melchers, auf der Liste verblieben. Da das Domkapitel Bedenken trug, unter diesen Umständen zur Wahl zu schreiten, wandte es sich an den Papst um Weisung. Die Wahl wurde gestattet. Nach einer Kölner Nachricht hat der Kardinal von Geissel dem Domkapitel den Rat gegeben, den Professor Martin zu wählen. Dem Bericht des preußischen Wahlkommissars Oberpräsident von Duesberg zufolge hätte der Heiligenstädter Kommissarius Nolte, der als Ehrendomherr an der Wahlhandlung teilnahm, sich mit Eifer für seinen eichsfeldiseben Landsmann eingesetzt. Vermutlich sind von beiden Seiten her Bemühungen erfolgt. Das Ergebnis war, daß Martin mit 7 gegen 5 Stimmen am 29. Januar 1856 zum Bischof gewählt wurde.

Vor seinem Abschied in Bonn brachte ihm die gesamte Studentenschaft der Universität einen großartigen Fackelzug und ließ ihm einen kunstvoll gearbeiteten Bischofsstab, den jetzt das Diözesanmuseum in Paderborn verwahrt, überreichen. Der eichsfeldische Klerus schenkte einen kostbaren Kelch.

Als Bischof hat Konrad Martin eine überaus vielseitige und gesegnete Wirksamkeit entfaltet, sowohl nach der organisatorischen Seite seines Oberhirtenamtes wie nach der seelsorglichen.

Seine erste Sorge galt dem priesterlichen Nachwuchs. Aus seiner Tätigkeit als Vorsteher des Bonner Theologenkonviktes wußte er, was in Paderborn not tat. Er erweiterte das von seinem Vorgänger gegründete Knabenseminar in Paderborn, so daß fast die doppelte Anzahl von Zöglingen ausgenommen werden konnte, und gründete 1857 ein neues in Heiligenstadt. 1856 erwarb er durch Kauf die heutige Heiersburg in Paderborn und richtete hier ein Theologenkonvikt ein. Zum Ankauf und zur ersten Einrichtung des Hauses steuerte er aus seinem eigenen Vermögen die Summe von rund 18 000 Tlr. bei. Mit 21 Zöglingen wurde 1860 die Anstalt eröffnet. Im Laufe der Zeit vergrößerte er das Haus, so daß schließlich die Hälfte der an der Fakultät studierenden Theologen dort unterkommen konnte. Allen die Wohltat der Konviktserziehung zuteil werden zu lassen, war sein Ziel. Der Ausbruch des Kulturkampfes verhinderte die Verwirklichung. Das Eichsfeld verdankt seinem bischöflichen Landsmann u. a. die beiden Franziskanerniederlassungen auf dem Hülfensberge und aus dem Kerbschen Berge sowie mehrere neue Pfarreien.

Es war dem apostolischen Mann nicht genug, seinen künftigen Priestern eine Heimstätte geschaffen zu haben. Sein Eifer trieb ihn, selbst tätig an ihrer Ausbildung und Erziehung mitzuarbeiten. Wenn er in den Wintermonaten von Firmungsreisen frei war, hielt er alle Samstage im Priesterseminar Vorträge über wichtige theologische Fragen sowie über die Sonntagsevangelien. Aus diesen Vorträgen erwuchs 1862 sein Buch „Theophilus, Unterweisungen über die Sonntagsevangelien“.

Der Bischof organisierte das Pfarrexamen in der heute noch bestehenden Form. Er errichtete wieder das in der Säkularisationszeit untergegangene Offizialat, d. h. die geistliche Gerichtsbehörde der Diözese, die unabhängig und getrennt vom Generalvikariat besteht. Als erster Bischof in Deutschland im 19. Jahrhundert hielt er 1867 eine Diözesansynode. In der Diözese Paderborn war es die erste wieder nach fast 200 Jahren. Mit einer erhebenden Feier im Dom führte er 1857 das Ewige Gebet in der Diözese ein, das zwar auf dem Eichsfelde schon aus der Mainzer Zeit her bestand, in der übrigen Diözese aber noch unbekannt war. Alljährlich hielt er selbst im Dom die Fastenpredigten, nahm an den Versammlungen des Vinzenzvereins oft teil und besuchte in eigener Person die Armen der Stadt, wie er auch auf den Firmungsreisen es nie versäumte, die verlassensten Kranken in den Pfarreien durch einen Besuch zu erfreuen.

Weit über die Grenzen der großen Paderborner Diözese hinaus wurde Konrad Martin bekannt als Präsident des Bonifatiusvereins. Dieser Verein war 1849 auf der Katholikenversammlung in Regensburg zur gottesdienstlichen und seelsorglichen Versorgung der katholischen Diasporagebiete gegründet worden. Als erster Präsident stand ihm vor der Graf Joseph von Stollberg zu Westheim, Landrat des Kreises Büren. Nach seinem Tode 1859 wählte die dritte Generalversammlung des Vereins am 5. Oktober 1859 den rührigen und tatkräftigen Paderborner Bischof zu seinem Nachfolger. Mit großer Aufopferung hat Konrad Martin auch dieses Amt verwaltet. Von ihm stammt der heute noch vielzitierte und fast ein geflügeltes Wort gewordene Ausspruch: „Die Unterstützung des Bonifatiusvereins ist die Hauptpflicht des katholischen Deutschlands“. Bis zu seiner Gefangensetzung im Kulturkampf hat Bischof Konrad den Verein geleitet. Dann trat er, um dessen Wirksamkeit nicht zu gefährden, freiwillig zurück. Nicht zuletzt durch sein umsichtiges und volkstümliches Wirken für den Bonifatiusverein ist dieser dauernd in Paderborn seßhaft geworden, ein Umstand, der wieder einer der Hauptgründe war, weshalb 1930 das bisherige Bistum Paderborn zum Erzbistum erhoben wurde.

Wie sehr dem Bischof der Bonifatiusverein am Herzen lag, dafür zeugt sein noch vorhandenes Testament vom 21. Oktober 1869. Danach sollte der Bischöfliche Stuhl in Paderborn Universalerbe sein und die Nachlassenschaft teils für ein in Treffurt, wo Bischof Konrad schon auf seine Kosten ein Diasporakirchlein gebaut und eine Seelsorgstelle eingerichtet hatte, zu gründendes Waisenhaus, teils für den Bonifatiusverein verwenden. Die Verwandten waren nur mit kleinen Legaten bis zu je 30 Tlr. bedacht; außerdem sollten Zuwendungen erhalten das bischöfliche Dienstpersonal, die Hülfensbergkirche, die Pfarrkirchen in Geismar und Lengenfeld und der Dom in Paderborn. Leider ist durch die während des Kulturkampfes von Preußen gegen die Bischöfe verhängten Zwangsmaßnahmen die Ausführung des Testamentes nicht zustande gekommen.

Auf die Höhe seines bischöflichen Wirkens führte den Paderborner Oberhirten die Tätigkeit auf dem vatikanischen Konzil 1869/70. Bischof Konrad war im Gegensatz zu fast allen deutschen Bischöfen ein Verfechter der päpstlichen Unfehlbarkeit schon vor dem Konzil gewesen. Als 1869 der in Fulda versammelte deutsche Episkopat an den Heiligen Vater die Bitte richtete, wegen der Ungunst der Zeitverhältnisse von der Erklärung des Glaubenssatzes von der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Konzil abzusehen, war Konrad Martin unter den norddeutschen Bischöfen der einzige, der die Unterschrift verweigerte. Mit einer an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärung rechtfertigte er seinen abweichenden Standpunkt. Die weitere Entwicklung hat ihm Recht gegeben.

Auf dem Konzil spielte Konrad Martin eine hervorragende Rolle sowohl auf Grund seines reichen theologischen Wissens wie wegen seiner Gewandtheit im Gebrauch der lateinischen Sprache.

Der Bischof im Kulturkampf

Konrad Martin gehörte unstreitig schon vor dem Kulturkampf zu den angesehensten deutschen Bischöfen. Keine Frage von Belang bewegte das katholische Deutschland, zu der er nicht das Wort ergriff und seine Stimme achtungsvoll gehört wurde, an deren Lösung er nicht maßgebend mitwirkte.

Dies sowohl wie sein rastloses und vielseitiges Wirken in der eigenen Diözese würde genügen, ihm einen Ehrenplatz in der langen Reihe der Nachfolger des hl. Hathumar zu sichern. Aber um alles dessen willen würde heute nicht das herrliche Grabdenkmal, eine Schöpfung des Münchener Professors Georg Busch, seine Totengruft im Dom zu Paderborn zieren. Es würde auch wohl kaum zur Errichtung eines großen Gedenkkreuzes auf dem heiligen Berge seiner Heimat gekommen sein. Was die Person und das Wirken unseres Landsmannes auf dem Paderborner Bischofsstuhl für alle Zeiten ehrwürdig und einzigartig macht, das ist seine Stellung im Kulturkampf, sein leidvolles Geschick bei dem weltgeschichtlichen Zusammenstoß des jungen Deutschen Reiches und des Preußischen Staates mit der katholischen Kirche, dessen Ablauf das Jahrzehnt nach dem siegreichen 70er Kriege erfüllt.

Die Hauptfrage, um die es im Kulturkampf ging, war die, ob die katholische Kirche eine Magd des Staates sein könne, eine Polizeianstalt des Staates, die sich seinen Interessen restlos unterzuordnen habe und nur soviel Recht beanspruchen dürfe, als jener von sich aus ihr gebe, oder ob die Kirche kraft eigenen göttlichen Rechtes neben und unabhängig vom Staat bestehe und nicht unbedingt den Staatszwecken dienstbar sein könne.

Die Kirche ist von Jesus Christus als das sichtbare Gottesreich auf Erden gestiftet. Sie hat die Bestimmung, die vom Gottessohn gebrachte Offenbarung unverfälscht zu bewahren, durch ihre Lehre und Sakramente die Seelen für das ewige Leben zu retten. In dieser ihrer wesentlichen Aufgabe darf sich die Kirche von keiner Staatsgewalt behindern lassen. Sie kann in vielen Fragen mit dem Staate Hand in Hand gehen und dadurch das Staatswohl kräftig fördern. Wo aber Gottes Gebote und die Reinerhaltung des Glaubensschatzes auf dem Spiele stehen, ist die Kirche eine unwandelbare Größe, die der Staat einfach so, wie sie ist, respektieren muß. Hier gilt für jeden Christen das Wort des Apostels Petrus: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Ganz anders waren um 1870 die Anschauungen über das Wesen und die Aufgabe der Kirche in den Kreisen der preußischen und der meisten übrigen deutschen Staatsmänner. Hier galt die Lehre des Philosophen Hegel, wonach der Staat die alleinige Quelle jeglichen Rechtes ist und daneben ein göttliches Recht der Kirche keinen Raum mehr hat. Zwar hatte den früher oft vorgekommenen Hebelgriffen des Staates in den Gewissenbereich der Katholiken die preußische Verfassung von 1850 durch Verleihung der Autonomie an die katholische Kirche ein Ziel gesetzt. Aber die einschlägigen Verfassungsbestimmungen erfuhren die heftigste Befehdung seitens einiger protestantischer Staats- und Kirchenrechtslehrer. Der entbrannte literarische Kampf fand in weiten Kreisen der nicht-katholischen Bevölkerung lebhaften Widerhall, weil hier der Liberalismus das Feld behauptete.

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Bischof Konrad Martin

war einer der Unsrigen. Er hat Großes geleistet im äußeren Aufbau der Diözese und für die Hebung des religiösen Lebens. Groß war er auch in der Verteidigung der Kirche; dafür hat er Schweres gelitten. Für das Eichsfeld hat er besonderes Interesse gehabt und hat es stets betätigt. Vor allem die eichsfeldischen Männer werden sich zur Ehrung ihres mannhaften Landsmannes trotz der Erntearbeiten in großen Scharfen einfinden.

Buch,
Bischöflicher Kommissarius

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Der Liberalismus aber lehnt grundsätzlich jede Bindung an eine göttliche Offenbarung oder eine übernatürliche Heilsanstalt ab und war deshalb der geschworene Feind der katholischen Kirche, welche der Ungebundenheit des Individuums so fühlbare, im Gewissen verpflichtende Schranken setzt. Die Feindschaft steigerte sich zum blinden Haß infolge der Der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas, wodurch dem autoritativen System des katholischen Kirchentums der Schlußstein eingefügt wurde. Nach dem siegreichen Kriege gegen Frankreich kannte der Übermut der preußischen Bürokratie wie des parlamentarischen und publizistischen Liberalismus keine Grenzen mehr. Man glaubte sich stark genug, auch die katholische Kirche niederzuzwingen oder, wie der berühmte Historiker Mommsen im Abgeordnetenhause es ausdrückte, das Werk der Reformation in Deutschland zu vollenden. Die Kampfstimmung wurde dadurch verschärft, daß Preußen offen für den Altkatholizismus Partei griff und dadurch für Bischöfe und Gläubige schwerste Gewissenskonflikte heraufbeschwor.

Dem Charakter des Kulturkampfes wird aber nicht gerecht, wer ihn als Kampf des Protestantismus gegen den Katholizismus deutet. Gewiß haben im Anfange des unseligen Streites alteingewurzelte konfessionelle Abneigungen gegen die katholische Kirche eine bedeutende Rolle gespielt. Indes, der Hauptrufer im Streit und der eigentliche Träger desselben war der jedem positiven Christentum feindliche Liberalismus. Je länger der Kampf währte, um so deutlicher trat zutage, daß die Rückwirkungen desselben auch für die evangelische Kirche höchst nachteilig waren, weshalb die evangelischen preußischen Konservativen entweder nie des Kampfes recht froh oder doch seiner sehr bald überdrüssig wurden. Man darf daher wohl sagen, daß die im Kulturkampf gemaßregelten preußischen Bischöfe auch für die Freiheit der Protestantischen Konfession gelitten haben. Jedenfalls sind sie mit die frühesten Bekämpfer und auch Opfer der liberalen Weltanschauung gewesen, deren völlige Niederringung wir in unseren Tagen erleben. Darin nicht zum wenigsten liegt die hohe Gegenwartsbedeutung des Kulturkampfes und der Persönlichkeit Konrad Martins.

Konrad Martin war nichts weniger als staatsfeindlich, sondern im Gegenteil ein warmherziger deutscher Patriot, was besonders sein nach dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges erlassener Hirtenbrief vom 28. Juli 1870 bekundet, wo er u. a. sagt: „Die Pflicht wahrer Vaterlandsliebe ist mir so teuer und heilig, wie es sonst nur eine Christenpflicht sein kann.“ Auch muß ohne weiteres einleuchten, daß bei einem Manne von so ausgeprägtem Heimatgefühl die Treue zum eigenen Volk ein Wesenselement der Seele bilden mußte. Aber der Bischof war ein Priester von unbedingter Ehrlichkeit der Überzeugung und freimütig in seinen Äußerungen. Er sprach und schrieb offen und geradeaus, so wie er dachte und fühlte, ohne vorher ängstlich zu erforschen, was zur Zeit in den Regierungskanzleien genehm sei. So kam es, daß manche Worte, die er als Präsident des Bonifatiusvereins sprach, in Berlin übel vermerkt wurden. Vollends verdarb er es mit der Staatsregierung durch sein 1864 veröffentlichtes Buch: „Ein bischöfliches Wort an die Protestanten Deutschlands, zunächst an diejenigen meiner Diözese über die zwischen uns bestehenden Meinungsverschiedenheiten.“ Das Werk war versöhnend gemeint, wurde aber von einer übelwollenden Kritik zur konfessionellen Kampfschrift gestempelt. Kein Wunder, daß Bischof Konrad im folgenden Jahre nach dem Tode des Kardinals Geissel von der Kandidatenliste für die Neubesetzung des Kölner Erzstuhls wie auch von der badischen Regierung von der Liste für die Neuwahl eines Erzbischofs in Freiburg gestrichen wurde.

In der Folge bekam der Paderborner Oberhirt es noch häufiger sehr deutlich zu spüren, daß er in Berlin in Ungnade gefallen war. Aber die eigentlichen Konflikte, die zur Katastrophe führten, begannen mit einer Gruppe von kirchenpolitischen Kampfgesetzen, die, weil sie im Mai 1873 als Gesetze veröffentlicht wurden, unter dem Namen Maigesetze eine traurige Berühmtheit erlangt haben.

Manches stand in diesen Gesetzen, was die Kirche dem Staate hätte zugestehen können, wenn dieser den Weg gütlicher Verhandlungen mit dem Papste, worauf die preußischen Bischöfe in ihrer gemeinsamen Erklärung zu den Maigesetzen vom 30. Januar 1873 verwiesen, beschritten hätte. Daran war aber bei dem in Berlin herrschenden Kampfeswillen nicht zu denken. Andere Bestimmungen der Maigesetze verstießen so offenkundig gegen die gottgegebene Verfassung der Kirche, daß den Bischöfen nur der passive Widerstand übrig blieb. Zu diesem letzten Mittel gegen staatliche Vergewaltigung mußten sie um so mehr greifen, als Papst Pius IX., nachdem er die Wirkungen der genannten Gesetze und ihre fortwährende Verschärfung eine Zeitlang beobachtet hatte, schließlich durch Rundschreiben vom 5. Januar 1875 dieselben, insoweit und sofern sie der göttlichen Einrichtung der Kirche widersprächen, als moralisch unverbindlich erklärte.

Verstöße des Bischofs gegen die Maigesetze konnten nicht ausbleiben. Es kam zu gerichtlichem Verfahren wider ihn. Die Verurteilungen zu immer höheren Geldstrafen oder entsprechender Haft häuften sich. Da er die Strafen nicht bezahlte, auch nicht duldete, daß wohlmeinende Katholiken sie statt seiner bezahlten, war vorauszusehen, daß seine Verhaftung in absehbarer Zeit erfolgen werde. Die Diözese antwortete auf diese Aussicht mit Massendeputationen, die im März und April 1874 in Paderborn teils in kleineren, teils in riesengroßen Gruppen meist unter der Führung des katholischen Adels erschienen, um den geliebten Oberhirten des Mitgefühls und der unwandelbaren Ergebenheit des katholischen Volkes zu versichern. Gegen 50 000 seiner auswärtigen Diözesanen hat der Bischof bei diesen eindrucksvollen und unvergeßlichen Kundgebungen in der Diözesanhauptstadt vor sich gesehen. Ende Mai und Anfang Juni 1874 weilte der Bischof zum letzten Mal auf dem Eichsfelde zum goldenen Priesterjubiläum seines Firmpaten, des Geistlichen Rates Haendly. Wenigstens 30 000 katholische Eichsfelder haben damals in Heiligenstadt und am 1. und 2. Juni auf dem Hülfensberge zum letzten Mal das Antlitz ihres hohen priesterlichen Landsmanns gesehen und ihm und der Kirche angesichts der bevorstehenden Drangsalen unentwegte Treue gelobt.

Zurückgekehrt nach Paderborn wurde er am 4. August 1874 verhaftet und in das Gefängnis eingeliefert. Tags darauf traf die Aufforderung des Oberpräsidenten ein, binnen zehn Tagen sein bischöfliches Amt niederzulegen. Ernst und würdig antwortete der Gefangene am 15. September, daß er zum elenden Verräter an der Kirche und meineidigen Bischof werden würde, wenn er dies täte. Im bischöflichen Antwortschreiben kommen auch die Worte vor, die im Fenster der Konrad-Martin-Kapelle in Paderborn zu lesen sind: „Der römisch-katholischen Kirche gehörte meine Jugend und mein Mannesalter. Ihr wird auch mein Greisenalter gehören, solange mir Gott das Leben fristen wird. Alles werde ich für sie opfern und, wenn es sein soll, auch meinen letzten Blutstropfen.“

Die Haft in Paderborn dauerte 24 Wochen bis zum 19. Januar 1875. Da aber am 5. Januar der auf Grund der Maigesetze gebildete staatliche Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten auf Absetzung Konrad Martins als Bischof erkannt hatte, glaubte die Regierung ihn als Staatsrebell behandeln zu dürfen und ließ ihn nach Ablauf der Haft in die Festung Wesel überführen, wo er ein weiteres halbes Jahr festgehalten wurde. Inzwischen ergingen neue Verurteilungen zu Gefängnisstrafen. Der schon betagte Bischof mußte fürchten, den Rest seines Lebens in preußischen Gefängnissen verbringen zu müssen. Um diesem Schicksal zu entgehen, und weil er hoffte, in der Freiheit seiner Diözese besser nützen zu können, verließ er in der Nacht vom 3. auf den 4. August 1875 die Festung und floh nach Holland. Der preußischen Staatsangehörigkeit verlustig erklärt, wurde er von dort auf Verlangen Bismarcks ausgewiesen, fand ein Unterkommen erst im belgischen Franziskanerkloster Brunssum bei Sittand, dann im kleinen Töchterpensionat der Paderborner Liebesschwestern in dem belgischen Dorf Mont St. Guibert.

Hier hat der Verbannte unter einem fremden Namen als Professor Haendly seine letzten vier Lebensjahre zugebracht. Nur einmal, 1877, verließ er den Ort zu einer Reise nach Rom. Ein kirchenfeindliches römisches Blatt brachte aber die Kunde von seiner Anwesenheit in der Ewigen Stadt alsbald in die Öffentlichkeit. Um nicht auch aus Italien ausgewiesen zu werden, kehrte darauf der Bischof schleunigst in Zivilkleidern nach Mont St. Guibert zurück.

Als schon die preußische Regierung einzulenken begann, nachdem sie die Fruchtlosigkeit ihrer gegen die Kirche ergriffenen Maßnahmen eingesehen hatte, und der Vertriebene baldige Rückkehr in die heißgeliebte Heimat erhoffte, befiel ihn eine Lungenentzündung, die in wenigen Tagen die noch rüstige Kraft des Siebenundsechzigjährigen erschöpfte. Am 16. Juli 1879 ist Konrad Martin im Beisein seines eben aus Deutschland zurückgekehrten Geheimsekretärs Dr. Stamm gestorben.

Durch die rasche Entschlossenheit der Paderborner Ordensstifterin Pauline von Mallinckrodt, die gerade in Mont St. Guibert weilte, gelang es, die Leiche nach Paderborn zu schaffen, bevor sich in Deutschland die Todesnachricht verbreitete. Wohl oder übel mußte nun die Regierung die feierliche Beisetzung des Toten an der Seite seiner Amtsvorgänger im Dom zu Paderborn gestatten.

Charakterbild des Bischofs

Von protestantischer Seite hat man schon oft den Bischof einen Heißsporn und Fanatiker genannt, der durch Unbesonnenheit und Intransigenz die Regierung zum Vorgehen gegen seine Person geradezu herausgefordert habe. Aber man muß begreifen, daß ein Mann von den Charaktereigenschaften und dem religiösen Eifer Konrad Martins in solchem Kampf um das Sein oder Nichtsein der katholischen Kirche in Deutschland unmöglich den untätigen Zuschauer oder den vorsichtig zurückhaltenden Diplomaten hätte spielen können. Ein Feuergeist wie er mußte notwendig seinen Platz in der vordersten Kampflinie nehmen, wo der Zusammenprall am heftigsten und die Gefahr am größten war. Überdies wird niemand, der vorurteilslos die damaligen Verhältnisse überblickt, zu glauben vermögen, daß Konrad Martin, auch wenn er stillen Temperamentes gewesen wäre und sich äußerster Zurückhaltung befleißigt hätte, dem Gefängnis und der Absetzung hätte entgehen können, ebensowenig wie dies dem milden und maßvollen Bischof Brinkmann in Münster gelungen ist. Denn in der weiträumigen und volkreichen Paderborner Diözese waren der Reibungsflächen zu viele, auch die Konflikte großenteils von der Art, daß ein Nachgeben des Bischofs der Verleugnung des Glaubens gleichgekommen wäre. Der draufgängerische Kulturkampfseifer des obersten preußischen Staasbeamten in der Provinz Westfalen, des Oberpräsidenten von Kühlewetter, eines liberalen Katholiken, dessen schroffes Vorgehen selbst der Regierung oft unbequem war, tat ein übriges, um den Knäuel der Verwicklung unentwirrbar zu machen.

„Obiit exul“, er starb in der Verbannung, so lesen wir auf dem Grabmal unseres Bekennerbischofs im Dom zu Paderborn. Er starb in einer Verbannung so hart, wie sie kein anderer preußischer Bischof im Kulturkampf zu erdulden gehabt hat. Wie ein Geächteter, wie ein Schwerverbrecher wurde er von Ort zu Ort gehetzt, bis tiefste Verborgenheit ihn umfing. Auch die meisten übrigen Bischöfe Preußens waren durch die Kirchenverfolgung ins Ausland getrieben worden. Aber sie haben das Ende der Leidenszeit erlebt, sie sind mit höchsten Ehren, unter dem Jubel ihrer treuen Diözesanen zurückgekehrt und haben des wiedergewonnenen Friedens sich erfreuen können. Die Erzbischöfe Ledochowski und Melchers, deren Rückkehr Preußen nicht zugeben wollte, wurden als Kardinäle nach Rom berufen. Einzig Bischof Konrad hat das ganze Elend eines heimatlosen, geächteten und mit unversöhnlichem Haß verfolgten Flüchtlings bis zur Neige durchkosten müssen. Ihm ist auf Erden keine Genugtuung geworden. Von Sorgen und Leiden niedergedrückt, von Heimweh verzehrt, hat er in Dürftigkeit im fremden Lande seine Tage beschlossen. „Er starb in der Verbannung.“ Darum ist aber auch diese Verbannung für ihn ein Ehrentitel, kostbarer als Ordensauszeichnung und Adelsprädikat geworden.

Wie ein Heiliger ist Konrad Martin gestorben. „Monsignore Martin ist ein Heiliger“, urteilte Papst Leo XIII. über ihn. Seine letzten Worte lauteten: Gelobt sei Jesus Christus! – Wahrhaftig wie ein durch Wort, Tat und Leiden bekundetes „Gelobt sei Jesus Christus“ erscheint uns das ganze Leben und Wirken dieses ausgezeichneten Hohenpriesters. Mit dem Lob Christi auf den Lippen sollte es seinen ergreifenden Abschluß finden.

Bischof Konrad war ein Mann der Vorsehung, wie geschaffen für seine Zeit, ein Gelehrter, der auf allen Gebieten der Theologie sich zu Hause fühlte und Wort wie Feder mit gleicher Gewandtheit zu führen verstand, ein geborener Publizist, der nie ohne schriftstellerisches Schaffen sein konnte. Die Bücher, die er geschrieben hat, machen eine kleine Bibliothek aus. Noch höher gilt uns, daß sein Wirken dem Leben zugewandt war, daß er ein Mann der Praxis gewesen ist, ein apostolischer Priester und Seelsorger, dessen tiefe Frömmigkeit und selbstloser Eifer jeden ergriff, dessen reines Wollen selbst der grimmigste Gegner nicht bestreiten kann. Nicht zuletzt verehren wir Bischof Konrad als einen ruhmbedeckten Führer der Katholiken Deutschlands in schwerster Zeit, als einen Kirchenfürsten, dessen Taten, Erfolge und Leiden die Bistumsgeschichte allzeit rühmen wird als einen Streiter Christi, den eine leidenschaftliche Liebe zur Kirche und eine rührende Anhänglichkeit an den Stellvertreter Christi auf Erden beseelte, und der mit heroischem Mute und unbeugsamer Standhaftigkeit sich für Christus und die Kirche aufopferte.

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Festfolge
 

Sonntag, den 6. August

17,00 Uhr: Ankunft des Pilgerzuges in Geismar. – Abmarsch vom Bahnhof zum Geburtshaus des Bischofs Konrad Martin. Daselbst ist stilles Gedenken.

20,00 Uhr: Fackelprozession der Männer und Jungmänner von der Pfarrkirche in Geismar zum Hülfensberge. Lichterprozession der Frauen und Jungfrauen zum Friedhof vor dem Dorfe. Aufleuchten des Kreuzes während der Prozession.

Montag, den 7. August

8,00 Uhr: Allgemeine Prozession zum Hülfensberge von der Pfarrkirche Geismar aus.

9,30 Uhr: Festgottesdienst und Einweihung des Kreuzes.

13,00 Uhr: Herz-Mariä-Bruderschaft.

17,00 Uhr: Rückfahrt des Pilgerzuges nach Leinefelde.

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Unerschütterlich war sein Glaube an die Unüberwindlichkeit der Kirche und an ihren endlichen Sieg in dem ihr auferzwungenen Kampfe. Diese Überzeugung war sein Trost in allen Wechselfällen seines Lebens. Eines seiner letzten Bücher schließt mit den Worten:

„Aber wenn wir abgesetzte und verbannte Bischöfe auch alle in der Verbannung sterben sollten: Die Kirche, und zwar auch die Kirche in unserem deutschen Vaterlande wird dennoch siegen. Er, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, ist ihr Beschützer. Und so zahl- und einflußreich auch ihre Gegner sein mögen, es kommt die Stunde, wo es auch von ihnen heißen wird: ‚Die ihr nach dem Leben trachteten, sind gestorben‘.“

Diese Stunde, wo der Sieg der Kirche offenbar wurde, nicht den Sieg über den Staat, sondern der Sieg über den seine Machtposition im Staate mißbrauchenden und heute in seiner Staatsgefährlichkeit entlarvten Liberalismus, ist bald nach dem Tode Konrad Martins gekommen. Jene furchtbaren Leiden des Kulturkampfes sind nicht vergeblich gewesen. Die Katholiken wurden aufgerüttelt und zusammengeschlossen, ihnen katholisches Selbstbewußtsein und Vertrauen auf die Lebenskräfte unserer hl. Religion wiedergegeben und so in Deutschland eine neue Periode gesegneten kirchlichen Wirkens heraufgeführt. Die glänzende Bewährung des katholischen Volksteiles in jener Prüfungszeit hat bis zur Stunde allen Gegnern der Kirche in Deutschland die Lust genommen, noch einmal einen Kulturkampf Wider sie zu versuchen.

Das Kreuz auf der Höhe

Das heilige Zeichen unserer Erlösung auf dem schönen und erinnerungsreichsten Berggipfel unserer Heimat, auf dem Berge der Hilfe, wo unsere Väter seit so vielen Jahrhunderten gebetet und im Kreuze Trost und Kraft gefunden haben, es soll fortan die Erinnerung an den großen Sohn des Eichsfeldes lebendig erhalten. Die Entstehungsgeschichte der Denkmalsehrung für Konrad Martin beweist, daß ihr jeder Gedanke an eine Kränkung Andersgläubiger oder an eine Demonstration gegen sie fern gelegen hat und fern liegt. Was das Leben unseres Landsmannes, der durch dieses Gedenkkreuz geehrt wird, über jede zeitgeschichtliche Bedingtheit weit hinaushebt, es wegweisend und vorbildlich macht, das ist ein Seelenwert, der auch jedem nichtkatholischen Christen heilig ist, der Glaube nämlich an den am Kreuze gestorbenen Gottessohn und die unerschütterliche Treue zu der von ihm gestifteten Kirche.

Crux Christi nostra corona, das Kreuz Christi unsere Krone, unser schönster Schmuck, unser Ruhm, unsere beste Kraft, unser Loben und unser Sterben! Das ist der Stern gewesen, der herrschend und führend über dem Lebenswerk Konrad Martins gestanden hat. Er möge auch in alle Zukunft strahlend wie das Konrad-Martin-Kreuz auf dem Hülfensberge leuchtend, wärmend und lebensgestaltend über dem Eichsfelde und seinen Bewohnern stehen! Das walte Gott!


Christoph Völker in Paderborn
(Quelle: „Eichsfelder Volksblatt“, Ausgabe vom Samstag, dem 5. August 1933