Hundert Jahre Eisenbahn auf dem Obereichsfelde

Streckeneröffnung Arenshausen – Nordhausen der Halle-Kasseler Eisenbahn

Es war am 9. Juli 1867 – also vor genau 100 Jahren. Ein schöner Sommertag goss Licht und Wärme über Täler und Berge des Eichsfeldes. Eine laue Sommerluft spielte mit den bunten Fahnen und den grünen Laubgewinden auf dem soeben vollendeten Bahnhofe Heiligenstadt. Endlich war der große Tag gekommen: Die Strecke Nordhausen – Arenshausen der Halle-Kasseler-Eisenbahn sollte heute eröffnet werden. Drei Jahre hatten große Arbeiterkolonnen an mehreren Baustellen an dem neuen Schienenwege geschafft. Nun sollte der Bauabschnitt Nordhausen – Arenshausen dem Verkehr übergeben werden.

Auf dem Bahnhof Heiligenstadt hatte sich eine festliche Menge aus der Stadt und aus der Umgebung versammelt. Gespannt wartete man auf die Ankunft des ersten fahrplanmäßigen Zuges. Auf die Minute pünktlich 8.22 Uhr traf der mit Girlanden reich geschmückte Zug aus Arenshausen kommend ein. Er wurde von dem lauten Jubel der auf dem Bahnhof Versammelten begrüßt. Zahlreiche Eichsfelder ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, mit dem ersten regelmäßigen Zug eine kürzere oder längere Reise in Richtung Halle zu unternehmen. Die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf zu diesem Zuge soll auf der Station Heiligenstadt 60 Taler betragen haben. Der nächste Zug kam aus Richtung Halle und brachte viele Besucher vor allem aus Dingelstädt mit. Sie hatten den Marsch von Dingelstädt nach Leinefelde nicht gescheut, um bei diesem für die Entwicklung des Eichsfeldes so wichtigen Ereignis mit dabei zu sein.

Die Einstellung der eichsfeldischen Bevölkerung zur Eisenbahn und zum Bahnbau in der Heimat war sehr verschieden. Neben begeisterten Befürwortern gab es, wie bei jedem Fortschritt im menschlichen Leben, auch erbitterte Gegner des Bahnbaues.

Nach der Mitte des Jahrhunderts erreichte die Webernot auf dem Eichsfeld ihren Höhepunkt. Dem Flachsbau, der Leinenspinnerei und -weberei hatte die Baumwolle ein Ende bereitet. Nur wenige weitblickende Menschen besaßen die Erkenntnis, dass eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auch eine Milderung wirtschaftlicher Not bedeutet und dass wirtschaftlicher Aufschwung eines Gebietes ohne dessen Verkehrserschließung unmöglich ist. In Unkenntnis dieser Tatsache setzte man dem Bahnbau in den meisten Gemeinden Widerstand entgegen.

Um den Bau des Bahnhofes Leinefelde gab es viel Streit, da die Gegner des Bahnbaues sehr einflussreich waren. Bernterode musste zum Bau der Eisenbahn elf Hektar 98,40 ar Land abgeben. Die Gegner des Bahnbaues wussten es aber zu verhindern, dass das Dorf einen Bahnhof bekam. Selbst als die Gemeinde 1897 die Mittel zum Bau einer Haltestelle bewilligte, erhoben sich immer noch Stimmen dagegen. Auf Antrag der Gemeinde wurde 1911 die Haltestelle in einen Vollbahnhof umgewandelt. Die ganze Bahnhofsanlage hat die Gemeinde rd. 35 000 Mark gekostet. So musste das Dorf für die Rückständigkeit, die die maßgebenden Personen beim Bahnbau bewiesen hatten, schwere Opfer bringen. Ursprünglich hatte die Halle-Kasseler-Bahn auf eichsfeldischem Gebiet nur die Bahnhöfe Arenshausen, Heiligenstadt, Leinefelde, Gernrode. Alle übrigen Bahnhöfe und Haltestellen sind erst im Laufe der Jahre entstanden. Der Bahnhof Gernrode wurde später wegen der häufigen Verwechslungen mit Gernrode am Harz in Niederorschel umbenannt, gehört aber heute noch gebiets- und verwaltungsmäßig zu Gernrode.

Auch heute wieder ist, wie vor 100 Jahren, Arenshausen Endstation.

Autor: unbekannt
(Quelle: „Eichsfelder Heimatstimmen“, Heft 8/1967, S. 322-323)