Die Pfarrei- und Kirchentreppen

Viele Sehenswürdigkeiten
Hat mein liebes Lengenfeld,
Wer will dieses mir bestreiten,
Dass es was auf „Hoheit” hält.

Dort zu sehen mit Entzücken
Ist die hohe Eisenbrücken,
– und was and‘res hat es noch,
Was erscheint mir reichlich „hoch”.

Eine Treppe tut vor allem
Mir recht sonderlich gefallen,
Eine Treppe mit viel Stiegen,
Und die tät beim Pfarrhaus liegen.

So am Hange hingeschmieget
Diese hohe Stiege lieget –
Zweiunddreißig und noch drei
Stufen führen zur Pfarrei.

Wer sie einstens hat erdichtet,
Hat es köstlich eingerichtet,
Wunderbar gelang's dem Schlauen,
Diese Himmelsleiter bauen.

Wer nun täglich froh und munter
Klimmt die Stiegen rauf und runter
Der erkennt ganz unverhohlen:
Nützlich ist's den Stiefelsohlen.

Gut ist sie auch zur Verdauung,
Gut auch gegen Blutanstauung,
Gut auch ist sie zu gebrauchen,
Sich die Beine zu verstauchen.

Grauenhaft droht ein Bedenken:

Kann man denn auf solcher Stiegen
Sich nicht Bein und Fuß verrenken,
Nicht im Nu zu Tale fliegen?

All das habe ich erwogen
Und zuletzt den Schluss gezogen:
Nein, es war doch gar ein Schlauer,
Dieser Pfarrhaustreppenbauer.

Denn der Pfarrherr muss die schlimmen
 Stufen täglich nun erklimmen.
So hat sie den Zweck nun eben,
Zu verschönern ihm das Leben.

Hat mit Fleiß er die erstiegen,
Glaubt er jetzo nun, er kann sich
Mal verschnaufen, sieht er liegen
Nochmals ganze neunundzwanzig.

Und so kann er klimmen fleißig,
Ein Kirchtreppstufe fehlt an dreißig.
Stönen kann er dann er dann erlechzig:
„’S sind im ganzen vierundsechzig!"

So in Sturm und Wetterwehen
Täglich fleißig sie begehn,
Ei, das müsst ihr alle sagen,
Das muss ihm doch gut behagen.

So tagtäglich immer wieder
Kann er renken sich die Glieder.
So ‘ne Treppe ist ein Segen –
Sonderlich, wenn Stürme fegen.

Immer weiter auf den steilen
Stufen kann zur Höh‘ er eilen.
Ist er oben – durch die Lungen
Ist viel frische Luft gedrungen.

Schöner noch wird’s auf den Stiegen,
Wenn die weißen Flocken fliegen.
Eine Lust, in Winterwettern
Diese Treppen hochzuklettern.

Immer, wenn die Glocken rufen,
Vierundsechzig schöne Stufen –
Vierundsechzig Leitersprossen
Muss er steigen unverdrossen.
 

Und so wünsch‘ ich, die Beschwerden
Dieser Stiegen, die er heiter
Allzeit trägt, sie sollen werden
Sprossen ihm zur Himmelsleiter.

Dachtet ihr, ihr find’gen Köppe,
Die erbautet ihr die Treppe,
Diese Stiege zur Pfarrei,
Dass sie Himmelsleiter sei?

Grade nun wie ein Symbol
Deucht mich diese Stiege wohl –
Dachten dieses auch die Schlauen,
Die sie taten einst erbauen?

Jedes Ding hat sein Bedeuten,
Jedes Ding hat seinen Sinn,
Und ein solcher soll auch liegen
In den vierundsechzig Stiegen.

Drum wird unser Pfarrherr weiter
Auch die Stiegen steigen heiter.
Und es hat die Treppe doch
Letzten End‘s ihr Gutes noch.

Adam Richwien