Sie wusste die Schönheit des Eichsfeldes zu schätzen (Beate Bonus zum Gedächtnis)

Am 22. Januar 1954 starb in Kloster Zella Frau Beate Bonus im Alter von 89 Jahren. Sie war die Witwe des bekannten Religionsphilosophen und bedeutenden Kenners des isländischen Schrifttums Arthur Bonus, geboren am 21. 1. 1864 in Neu-Prussy, gestorben am 9. April 1941 in Lengenfeld unterm Stein. 25 Werke von ihm verzeichnet Kürschners Deutscher Literaturkalender 1939. Weshalb dieser Gelehrte von Ruf auf das Eichsfeld kam und wie er Religionsunterricht in dem Landschulheim Schloss Bischofstein erteilte, berichtet seine Gattin in einem Schreiben an den Verfasser:

„Er konnte während seiner Bischofsteiner Zeit im Wesentlichen seiner eigenen Arbeit leben, dank dem Verständnis, das Herr und Frau Dr. Ripke ihm entgegenbrachten. Was er an Unterricht erteilte, hatte Religionsgeschichte zum Gegenstand. Sein Bestreben ging dahin, in den jungen Menschen einen Blick zu erwecken für die Religion als ein gemeinsames Suchen aller nach dem Höchsten über uns. So brachte er ihnen die Zeugnisse der Andächtigkeit aller Völker zur Kenntnis, der hochentwickelten, bis zurück zu den Assyrern mit ihren tiefempfundenen Dichtungen und die der Stämme, die in unbeholfenen Versuchen nach dem gleichen Ziel tappen. Dem über uns Waltenden fallen sie alle in die gleichen treuen Hände, von denen wir unsere und aller Entwicklung erwarten.“

Hier eine noch unveröffentlichte Niederschrift Arthur Bonus‘:

„Ein jeder Mensch der uns begegnet, leidet darunter, dass das in ihm angelegte Gute unerkannt und unbeantwortet bleibt. Und so auch will jedes Geschehen, dass seine Möglichkeiten erkannt und entfaltet werden. Wer das verstünde, könnte viele glücklich machen rings um sich – und sich dazu. Es ist nicht selten, dass einer mit der gleichen Tat sich selber und anderen zu ihrer Bestimmung hilft.

Wer sich darüber klar wird, dass eine jede Begegnung, jedes Ding, jeder Mensch diese Bitte an uns hat, die Bitte, ihm zu sich selbst zu helfen, der mag die Weit wohl voller Aufgaben sehen.

Im Grunde ist das sehr ernst, manchmal drohend, wie in der alten griechischen Sage, wo die Frage als Untier quer vor dem Wanderer liegt und ihn aus dem Weg zu werfen droht, wenn er ihr Rätsel nicht zu lösen weiß.

Aber halten wir uns an den freundlicheren Anblick:

Ist nicht jede Aufgabe im Grunde ein Geschenk? Glücklich, wer die Welt so zu sehen und ihre Aufgaben zu lösen vermag. Unaufdringlich tief dringend, tief erkennend und so Glück schenkend rings um sich.“

Kein Wunder, dass die am 28. Oktober 1865 in Konstanz geborene Beate Jeep diesen feinsinnigen Gelehrten zum Gatten erwählte, war sie doch schon als Mädchen schriftstellerisch tätig gewesen, und auch nach ihrer Verheiratung zeichnete sie als Schriftstellerin mit ihrem Mädchennamen: Beate Bonus-Jeep. Angeregt durch ihren Gatten, hat auch sie sich eingehend mit dem nordischen Schrifttum beschäftigt und es durch ihre Jugendbücher der Jugend nahegebracht. Besonders verdient hat sie sich durch die zusammen mit Carlo Böcklin herausgegebenen „Kasperl-Bilderbücher“ gemacht. Auch als Erzählerin hatte sie einen beachtlichen Ruf. Von ihr erschienen: „Malergeschichten“ (1901), „Sieben Geschichten vom Sande“ (1912), „Das Olafbuch“ (1923), „Die Geschichte von Hening“ (1925), „Lindes Erbe“.

Wenn man einen Menschen nach dem Worte „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist“ beurteilen darf, muss Beate Bonus eine hervorragende Persönlichkeit gewesen sein. Ihre innige Freundschaft mit Käthe Kollwitz, über die ihr Gatte schon 1925 „Das Käthe-Kollwitz-Werk" veröffentlicht hatte, spricht dafür. Da diese Freundschaft die große Künstlerin wiederholt auf das Eichsfeld geführt hat, soll sie in einem späteren Aufsatz gewürdigt werden.

Heute soll nur über Beate Bonus’ Beziehungen zum Eichsfeld berichtet werden. Jahrzehntelang hatte sie mit ihrer Familie in Bischofstein gewohnt, zog dann mit ihrem Gatten nach Lengenfeld, wo sie nach dessen Tode in völliger Zurückgezogenheit lebte; ihren Lebensabend verbrachte sie in der von F. Babendererde geleiteten, schön gelegenen Heimstätte des Hilfswerkes der evangelischen Kirche, Kloster Zella.

Auf meine Anfrage, ob das Eichsfeld ihr dichterisches Schaffen beeinflusst habe, schrieb sie am 4.5.1942:

„Ausdrückliche Erwähnungen des Eichsfeldes kommen in meinen Arbeiten nicht vor, obschon Landschaft und Leute ihren Einfluss darauf ausüben. Besonders schlagende Ausdrücke, die ich von alten Frauen und Männern gehört habe, finden ihre Verwendung auch in meinen altnordischen Büchern. („Olafbuch“, „Der Sohn des Heiligen“). Am dritten Band dieser Trilogie arbeite ich jetzt. Eine Kurzgeschichte ist unter meinen Sachen, noch ungedruckt, die hat im Hintergrund die Eichsfelder Gegend und spielt in einer der spätmittelalterlichen Pestzeiten. Die Anregung dazu gaben mir die vielfachen Flurnamen, die früher Dorfnamen gewesen sind und noch bestehen, obgleich nach der großen Entvölkerung nie wieder ein Dorf an der alten Stelle entstanden ist.

Bei Wanderungen, die ich bei Lebzeiten meines Mannes mit ihm machte, fand ich, dass das Eichsfeld an manchen Stellen mit Tirol den Vergleich sehr wohl aushält, das ich früher und länger kannte als Eichsfeld.“

Auf eine Bitte um ein Urteil über das Eichsfeld schrieb sie:

„Als ich Gelegenheit hatte, allwöchentlich mehrere Tage im Eichsfeld zu wandern, begegnete mir so viel Schönheit im Wechsel von Hügeln, Wald und Wasserläufen, dass mich diese Vielgestalt an Tirol denken ließ.

Das, was wir hier Berge nennen, sind freilich bescheidene Anhöhen, aber die Natur scheint nicht in Verlegenheit zu sein, auch solche auf eine Weise auszustatten, dass der Mensch mit dem Gefühl der Erhebung von ihnen heimkehrt.

Von den Dörfern gilt das gleiche. Es ist Anmut vorhanden, jedenfalls soweit die alten Fachwerkbauten vorherrschen.

Eigentümlich ist diesen Häusern ein Schmuck, der immer wiederkehrt und immer wieder ein Gefühl der Befriedigung im Beschauer auslöst: Da, wo der trennende Balken Erdgeschoss und Oberstock scheidet, sieht man Hohlkehlen, die dem waagerechten Zug des Balkens in seiner ganzen Länge eingemeißelt sind. Über ihm springt von Abstand zu Abstand ein sockelartiges Querholz senkrecht vor, das wie eine hölzerne Faust den gekehlten Balken umklammert, so dass es aussieht, als wenn er mit seinem Zierrat zusammengefasst, gehoben und gehalten würde. Oft findet man an den Hohlkehlen noch Spuren alter Bemalung, wie auch an den vortretenden Klammergebilden; mitunter sogar Kerbschnitt, der Zeugnis ablegt, welche Sorgfalt der Erbauer den Wänden zubrachte, die sein Leben und das seiner Kinder umschließen sollten.

Das Dorf Lengenfeld unterm Stein besitzt im Bauerngehöft Gries noch einen überdachten Söller, der mit seinen Holzträgern und seiner Brustwehr die eine ganze Längswand des Hofes begleitet. Vermutlich umlief er früher Stallungen, Scheunen und Wohnhaus im ganzen Geviert. Doch gibt auch dieser Rest dem Anwesen ein ehrwürdiges und behagliches Gepräge.

Burgen und Schlösser, an denen das Eichsfeld nicht arm ist, sind als Ziel von Ausflügen hinlänglich bekannt. Schloss Bischofstein spielt unter ihnen eine besondere Polle, weil eine Schule mit Internat ihren Platz darin gefunden hat. Wohl in sämtlichen Weltteilen gibt es Menschen, die mit einem dankbaren Glücksgefühl an diese Stelle im Eichsfeld denken. Sie brachten da Kinder- und Jugendjahre zu, die sie nicht vergessen.

Vom Eichsfeld sagen Kenner, dass die Gesteinsbildung manche Aufschlüsse über die Geschichte der Erdoberfläche bietet, und was die Flora angeht, so sind Seltenheiten noch ansässig, deren Plätze von Botanikern verschwiegen gehütet werden.

Wer im Eichsfeld wandert, wird finden, dass es sich lohnt, die Augen offen zu halten!“

Wenn auch das Eichsfeld für Beate Bonus nicht so wie für den Dichter Theodor Storm zur zweiten Heimat geworden ist, so hat sie doch unsere an Naturschönheiten so reiche Landschaft sehr geschätzt, und sie verdient es, dass wir Eichsfelder wegen ihrer beachtlichen Leistungen als Schriftstellerin und wegen ihrer lebenslänglichen Freundschaft mit Käthe Kollwitz ihrer ehrend gedenken.


Autor: unbekannt
(Quelle: „Eichsfelder Heimatborn“, Ausgabe vom 05.03.1955)