Hildebrandshausen an der Plesse

Geburtsort des Gründers der über 150 Jahre alten Altbierbrauerei Müller in Münster/Westf., Kreuzstraße – Anno 1816 – Ahnherr des „Pinkus Müller“. – Sänger und Brauer von weltweitem Ruf.

Am Südrande des Eichsfeldes liegt unter dem bewaldeten Bergrücken „Plesse“, einem alten, vielbesuchten Wandergebiet, Hildebrandshausen, eine langgestreckte, bäuerliche Siedlung, ein „hausen“-Ort aus fränkischer Zeit (6. bis 10. Jh.). Das reizvoll gelegene Dorf (Sommerfrische) entstand auf dem Grund eines alten Hofes, eines festen Hauses – bei den Häusern des Hildebrand (ahd. „husun“). Hier war durch 5 Jahrhunderte das alte Gerichtsdorf der Ritter von Keudel, Burgmannen auf der Burg Stein („castrum Steyn“), eine der ältesten Höhenburgen des Eichsfeldes, um 1070 vom hessischen Grafengeschlecht der Gisonen von Gudensberg erbaut, 1137 – 1326 im Besitz der Landgrafen von Thüringen – „Ludowinger“ –, der Markgrafen von Meißen, der Grafen von Henneberg, der Ritter von Hardenberg. Danach Kurmainzischer Besitz bis 1802 „Bischofstein“ mit Sitz eines Amtsvogtes. Die Herren von Keudel waren Mainzische Zehnsträger im Weiler „Kubsdorf“ (später Gut Keudelstein), Weiler Wintersdorf an der Plesse (Wüstung) in der „Windischen Mark“, ein von Wenden besiedeltes Gebiet. Daneben hatten die Keudel reichen Besitz (Ländereien) in Lengenfeld, Geismar, Bebendorf, Töpfer, Ershausen. In Hildebrandshausen war der Sitz eines Keudel, „Junkerhof“.

In der südlichen Gemarkung des Dorfes lag in germanischer Zeit am Gaiberich (Goy-, Gay-, Genberg) eine Gaugerichtsstätte (Ding-, Thing-, Malstätte).

Auf den Spuren alter Wallburgen

Im Waldgebiet zwischen Hildebrandshausen und Faulungen sind auf der „Spindelsburg“ ausgedehnte Erdbefestigungen (Halsgraben, Vertiefungen, Reste einer Erdhöhle) sichtbar. Auf Bergvorsprüngen in der Umgebung sind viele Reste von Ringwällen erkennbar. Die „Dörnerberg-Wallburg“ bei Diedorf, „Schanze“ genannt, die „Sieboldsburg“ am Siegfriedsberg bei Faulungen, die „Burgbergwallburg“ bei Lengenfeld – Mittelpunkt des alten Befestigungssystems bis zur „Gobert“ – auf der Stelle der alten Feste „Steyn“ (Bischofstein), auf der Bergspitze „Keudelskuppe“ und des „Konstein“ Plesse, auf dem „Stuffenberg“ (Hülfensberg) an der Nordseite des Berges.

Die Dorfkirche zu Hildebrandshausen

Alte Filiale von Lengenfeld bis 1866 mit einer kleinen Kirche von 1713. Neubau auf der Stelle des Herrenhauses an der Dorfstraße mit Pfarrhaus 1866 – 1869. Seitdem Pfarrei.

Hildebrandshausen, ein stilles Dorf mit landschaftlichen Schönheiten, aus dem tüchtige Männer stammen.

Persönlichkeiten

An der Spitze steht Thomas Hagedorn, Lehrer und Komponist, ein Mann von großer musikalischer Begabung, geb. 1871, tätig in Liebenwerda, Helbra, Leipzig und anderen Orten nach 1891. Die Musik war sein Leben. Hagedorn schuf sich durch Oratorien, Messen und Liedern einen hochgeachteten Namen. Er war mit Siegfried Wagner befreundet. Daub (alter Heimatschriftsteller) hat Hagedorn unter die „großen Söhne des Eichsfeldes“ eingereiht.

Verdiente Geistliche, edle Priester mit unermüdlichem Seeleneifer aus Hildebrandshausen sind:

Pfarrer Thomas Müller + 1877 in Holungen,
Pfarrer Thomas Kaufhold + 1900 in Geisleden,
Pfarrer Joh. Josef Kaufhold + 1906 in Niederorschel,
Geistlicher Rat Alois Oberthür + 1956 in Heiligenstadt,
Pfarrer Peter Hardegen + 1958 in Bickenriede.

An dieser Stelle wäre noch eines tüchtigen Mannes aus dem alten Hildebrandshausischen Geschlecht in der „Gastwirtschaft Müller“ an der Dorfstraße zu gedenken, und zwar des Johannes Müller, geb. 1792 zu Hildebrandshausen und dort aufgewachsen. Er ist der Ahnherr der in 3 Generationen singenden Bierbrauer in der Altbierbrauerei zu Münster/Westf., Kreuzstraße, jetzt „Pinkus Müller“, ein Begriff im Münsterland und weit darüber hinaus.

Die Wiege des Johannes Müller (Urgroßvater) stand im Kurmainzischen Fürstentum Eichsfeld, das mit der Säkularisation 1802 an Preußen fiel. 1792 schlugen die Wogen der Französischen Revolution ungestüm über die Grenzen des Landes. Der Erzbischof von Mainz suchte Zuflucht vor den Franzosen in Heiligenstadt (1792, 1796). Die preußische Herrschaft begann 1802. Man sah auf dem Eichsfeld die langjährige Mainzer Herrschaft ungern scheiden (geringe Abgaben der bäuerlichen Geschlechter). Es war eine ruhige Zeit unter dem Krummstabe. In der Kirche und auf den Wallfahrten zum nahen Hülfensberg und Kloster Zella (Annaberg) erklangen die schönen, religiösen Lieder aus dem alten Duderstädter Gesangbuch von 1668. Hier lebte eine Frömmigkeit, in der das Elternhaus der Mittelpunkt war. In der trauten Wohnstube erzählten die Alten beim surrenden Spinnrad aus vergangenen Zeiten und Geschichten von guten und bösen Geistern. Die Petroleumlampe stand noch auf dem Tisch. Die Jugend sang schon alte, liebe Lieder, aus denen die Seele des Volkes sprach. Fröhliche Menschen bei der Arbeit und am Feierabend in der „Gaststätte Müller“.

In der „westfälischen Zeit“ waren auch für Hildebrandshausen schlechte Zeiten angebrochen (1807 – 1813). Das Dorf gehörte in der Franzosenzeit zum „Napoleonischen Harz-Departement“ (Distrikt Heiligenstadt) im alten, neubegründeten „Königreich Westfalen“, das Teile Westfalens umfasste und bis zum Eichsfeld reichte. Unter der Fremdherrschaft waren trostlose Zustände. Die Not hielt Einzug. Regelmäßige Abgaben (Personalsteuer, Grundsteuer, Patentsteuer für Handel und Gewerbe), Kriegslieferungen, Einquartierungen u. a. Lasten. Um 1813 war das Wenige, das französische Rückzügler den Bewohnern gelassen hatten, von den nachrückenden Russen völlig aufgezehrt. In der Kirche erklang der Notschrei: „Vor Krankheit, Krieg und Hungersnot bewahre uns, o Herr!“ Die Steuerdirektion des Departements stellte dem Joh. Müller 1813 ein Patent aus, nach dem er eine „Schenkwirtschaft“ betreiben durfte. Die Not wuchs immer mehr. 1816 Missernte, Teuerung. Der unternehmungslustige Urgroßvater Johannes Müller begab sich voll Mut und Gottvertrauen auf die Wanderschaft. Der Eichsfelder mit „froh Wanderblut und liederreicher Kehle“ kam ins Münsterland, das nach der Wiederbesetzung durch Preußen 1813 noch französisches Recht hatte. Die französische Gemeindeverfassung blieb im Wesentlichen bestehen. Der eichsfeldische Wandersmann ließ sich in Münster/Westf., an der Kreuzstraße, als „Bäcker und Chocoladenfabricant“ nieder und begann daneben die übliche Brauerei des Altbiers. In Münster gab es damals neben der Bäckerei viele Altbierbrauereien handwerklicher Art. Der neue Bäcker und Brauer bewährte sich im alten, trauten Münster und erhielt 1830 den Bürgerbrief der Stadt. Johannes Müller, den Sorge und Not in die weite Welt trieb, führte sein aufgebautes Geschäft mit Erfolg bis 1839.

Die „Oldbeerbrauerei un Oldbeeruutschank in Mönster an e Krüüßstraot“ durch 3 Generationen der Müller – Sänger und Brauer köstlichen Altbiers – jeweils abwechselnd ein Johannes und ein Carl.

Carl Müller (1839 – 1912)

Der Nachfahre, „Großvater Carl“, stimmbegabt, sang in den Feiertagsstunden mit seiner herrlichen Singstimme (Tenor) gern die echten Volkslieder, die zu seiner Zeit beliebt waren. Frau Fanny, Tochter des Altbierbrauers Tenkhoff zu Münster, Jüdefelderstraße, begleitete ihn zur Laute. Das Volkslied lebte damals ein starkes Leben, tief verwurzelt in der münsterländischen Muttersprache. Bei Carl Müller versammelte man sich gern zu Spiel und fröhlicher Unterhaltung. Die alten Weisen von Heimatliebe, Heimattreue, Heimatsehnsucht, von Freundestreue, echtem Familiensinn, Mutterliebe und Gottvertrauen aus den urwüchsigen Volksliedern nahmen die Gäste gern in sich auf. In Münter wurde das Volkslied sehr gepflegt. Hier ist einer der ältesten Gesangvereine, die „Liedertafel“ von 1822.

„Kein schöner Land in dieser Zeit
als hier das uns're weit und breit,
wo wir uns finden,
wohl unter den Linden zur Abendzeit.“

Johannes Müller – „Vater Jans“ (1869 – 1943)

Sänger und Brauer von Format. Obermeister der Bäcker- und Brauerinnung. Jans Müller sang mit seinem ausgezeichneten Tenor in vielen Konzerten des Deutschen Roten Kreuzes (Verwundeten-Betreuung im I. Weltkrieg). Er trat in verschiedenen Oratorien auf (Arbeitervereinshaus, Schillerstraße). In seinem Haus wurde 1914 die „Musikalische Deutsche Ecke“ gegründet, die öffentliche Konzerte gab, u. a. auch für Lazarette. Dem verdienten Sänger wurde die Ehrenmedaille des Deutschen Koten Kreuzes verliehen. Jans Müller pflegte echt münsterische Geselligkeit in plattdeutscher Sprache.

Carl Müller – „Pinkus Müller“ genannt – seit 1943

Der weithin bekannte singende Bierbrauer, ein angesehener Bürger der Stadt Münster.

Gesanglich gut ausgebildet. Sein Auftreten auf der Bühne, im Rundfunk, Fernsehen, in Konzerten, Schallplatten haben „Pinkus Müller“ populär gemacht. Sein Haus, eine Stätte der Freude für Leute aus aller Welt, ein Treffpunkt ernster Begegnung, schöner Götterfunken …“

1966 bei Pinkus Müller große Feier – 150-jähriges Bestehen der Altbierbrauerei an der Kreuzstraße. Ganz Münster nimmt Anteil. Ein großer Freundeskreis ehrt den Sänger und Brauer Pinkus Müller und Frau Regina, geb. Holtkamp, den westf. Obermeister, den alten 3-maligen „Prinz Karneval“ (1930/32), den verdienten Bürger seiner Vaterstadt. Pinkus Müller sang wieder einige seiner schönsten Lieder. Der Reg.-Präsident Dr. Schneeberger und der Oberbürgermeister der Stadt ehrten den Sänger und Brauer. Das Studentenlied erklang: „Liebe Stadt im Lindenkranz.“ Als Geschenk für den Ratsschatz überreichte Pinkus Müller einen Silberteller.

„Sohn Hans“, Braumeister, folgt nach. Er soll einmal das Familienerbe übernehmen.

„Oldbeer te drinken
un Sprüekkskes beküken,
Mostert te strüken
op Schmieettkes met Schinken“
gait alle Welt no „Pinkus Müller“.

Hier einer der vielen „Sprüekkskes“:

„Töttken nu nen gued Glas Beer,
mäk bi Pinkus viäl Pläsehr!“

Autor: unbekannt
(Quelle: „Eichsfelder Heimatstimmen“, Nr. 10 – Oktober 1967)