Am alten „Stuffenberg“

Am „ Heiligenberg“ befindet sich ein Abhang unterm Rollsberg, der sich bis ins Gretchen erstreckt. Hier ist Grund und Boden aus fränkischer Zeit. Der Heiligenberg gehört zur ehemaligen Dotation der Kirche. Die Einkünfte des alten Kirchenlandes (Pachtland) flossen dem Pfarrherrn zu. Im Gebiet des Heiligenberg und Rollsberg hat man den Weiler „Luceyshusen“ („villa Luceyfshusen“, Luceyfshus) vermutet. 1328 besitzt der Erzbischof von Mainz an dieser Stelle 2 Hufen Land (dua allodia). Um 1358 ist die Stelle noch bewohnt.

Auf dem „Rollsberg“, ein ausgedehnter Bergrücken, der sich über dem Heiligenberg bis in die Gemarkung Großbartloff erstreckt. Auf dem Berg hat man eine prachtvolle Aussicht ins Tal der Frieda und in den Eichsfelder Graben bei Wilbich. Auf der Höhe findet man im Kalkstein schöne Exemplare der Bergdistel und Versteinerungen aus dem alten Meer der Triasformation. Der Höhenzug war früher teilweise bewaldet. Man fand hier und da Spuren alter Feldwirtschaft. Hier hatten das Cyriacusstift in Eschwege und später die von Hanstein Ländereien und Waldgebiete.

Am Rollsberg in Richtung Großbartloff wird die Orts- und Flurwüstung „Rudolfshausen“ (Rudolfeshusen, Ruttelsfeshusen) vermutet. Hier war um 1420 ein Lehen der von Ereshusen mit ½ Hufen. Die von Hanstein hatten Gehölze „uff dem Rudelsberge“.

Rudolfshausen bedeutet die Siedlung eines „Hrodulf“, „Ruotolf“, as „hropr“, ags „hrep“ = Ruhm, Sieg und ahd. = „wolf“, Wolf. Zu dem Namen Rollsberg liegt eine sichere Deutung nicht vor. Man hat darin eine Mundartform gesehen. Vermutlich liegt eine Umdeutung von Rudelsberg, Rudolfesberg, Rollfsberg vor.

Im „Gretchen“ liegt eine kleine alte Rodungssiedlung. Ein anziehendes Fleckchen Erde im stillen Waldwinkel am Heiligenberg und Rollsberg. Der Weiler hieß früher Rödchen, „villa Rodichen“ (1328).

Rödchen bedeutet keine Rodung, ahd. = „rot“, mnd. „rod“, mhd. „roten“ = roden, urbarmachen.

Die ersten Siedler haben sich hier in der Rodeepoche im 10. – 13. Jahrhundert niedergelassen. Die kleine Flursiedlung bestand aus einigen Gehöften. Die Bewohner haben diesen Ort wegen seiner ungünstigen Lage verlassen und ihren Sitz ins Dorf verlegt.

Der Erzbischof von Mainz besaß in diesem Weiler 7 Hufen Land. Die Bewohner mussten dreimal im Jahr Fuhrdienste für die Burg Stein (Bischofstein) leisten. 1358 ist Rödchen nicht mehr bewohnt („zu deme Rodichene desolato“).

Bei der Entenmühle liegt die alte Wüstung „Heyrödchen“, (Heirätchen, Härätchen). Die kleine Rodungssiedlung lag im Wald (Hag = Rödchen). Ein Gasthof erinnerte an die Orts- und Flurwüstung.

Von der „halben Frau“ zur „Entenmühle“

An der Straße nach Lengenfeld liegt ein Flurstück, das von altersher den Namen „bei der halben Frau“ trägt. Der Name steht mit der Sage vom „Fräubchen von England“ in Zusammenhang. Man erzählte früher oft im Tal der Frieda die wunderliche Geschichte vom Fräubchen von England. Die Sage lautet kurz so: Das Fräubchen sei rachesuchend durch das Eichsfeld gezogen und auch in das Tal der Frieda gekommen. Viele Orte, besonders Rodedörfer, seien dabei zerstört worden. Beim Bischofstein habe der Rachezug sein Ende gefunden. Das Fräubchen sei bei der „halben Frau“ von Pferden zerrissen worden. Am Wegesrand bei der Hagemühle befand sich früher einmal der „Frauenstein“, der im Volksmunde als Grabstein des Fräubchens galt. Der Frauenstein wurde später beim Bau der Kirche in Lengenfeld in die Kirchhofsmauer eingelassen.

Oberhalb der „halben Frau“ ist ein Abhang unterm Rollsberg, der „Sperlingsiber“ genannt wird. Hier soll die Jugend in germanischer Zeit das Speerwerfen geübt haben.

Im Tal der Lutter an der Straße nach Großbartloff liegen Ländereien der Geismarschen Flur rings um die alte „Entenmühle“. In der Nähe bei der Lutterbrücke vereinigt sich die Lutter (lutra), das klare Bächlein, mit der Frieda. Geismar besaß um 1600 am Lutterkopf die Hut. Hier liegt der „Entenberg“, der als „Antenberg“ = Steinhöhe gedeutet wird. Man hat den Berg auch als „Anberg“ – Berg bei den Gewässern bezeichnet.

In diesem Flurgebiet und in den anschließenden Gemarkungen von Lengenfeld und Großbartloff liegen mehrere wüste Orte des Amtes Bischofstein.

Der Weiler „Amschroda“ am Entenberg wird urkundlich auch „Amsrode, Amtsrode, Amerode, s’ Amscherode“ genannt. „Amschroda“ war vermutlich die Siedlung eines „Amal“ (Amelunges- oder Amalrichesrode). Hier war ein Lehen der von Erershusen, später der von Hanstein zu Geismar. Der Name ist bis heute erhalten geblieben.

Bei der Burg Stein lagen die Wüstungen: „villa Gotzrode“ (Gossrode) = Rodung des Gözo. Hier war altes Klosterland des Cyriacusstiftes Eschwege. „Villa Clywendora“ (Kliebenrode) beim Bischofstein, vermutlich die Siedlung des „Klywo“ (Klewo oder Klebo).

„Villa Polderode“ (Polderrode), die Siedlung des Baldo, ahd. bald = kühn, tapfer.

Bei Großbartloff lagen die beiden Wüstungen: „Villa Götzenroda“ (Getzenrode, Gozerode) = Siedlung des Gözo, Gezo, Goz, und „Villa Luttershausen“ bei der Luttermühle im Luttergrund.

Am Hülfensberg

„Am Hülfensberg“ begleiten uns zu beiden Seiten von der ersten Station bis zum Waldesrand Acker- und Weideland. Aus dem Muschelkalk sprudelt der Hülfensborn, an dem seit vielen hundert Jahren die Pilger singend und betend vorüberzogen zum „Erlöserberg“. Auf dem Berge suchten sie bei dem altehrwürdigen Kreuz Trost und Kraft.

Kein anderer Berg ist von Sagen so umsponnen wie unser Hülfensberg. Man nannte ihn in grauer Vorzeit „Stuffenberg“. Hier huldigte man in germanischer Zeit dem Wettergott Donar oder Thor (heidnische Kultstätte, Begräbnisstätte für Geismar und die umliegenden Dörfer). Auf der vorgeschichtlichen Wallburg auf dem Berge suchten die Dörfer der Umgebung in kriegerischen Zeiten Schutz gegen Überfälle und Plünderungen. In alten Urkunden werden folgende Namen festgehalten: Stoffenberg 1352, Stuffenberg 1357, Stauffenberg 1357, Stoufenberg 1363, Steuffenberg 1367.

Staufenberg, Stuffenberg, Stoffenberg bezeichnen die kegelförmige Gestalt des Berges.

Mhd. Stouf, germ. staupa = kegelartige Bodenerhebung, hochragender Felsen.

Die Umdeutung Stufenberg weist auf das Ansteigen (Stufen) des Berges im oberen Teil hin.

Der Hülfensberg wird urkundlich auch „Sente Hülfen“, „St. Salvator“, „mons sancti Salvatoris“, „sente Gehulfin Berg“, „Hulferichsberg“, „Sente Gehulffensberg“, „St. Gehülffensberg“ und niederd. (Wallfahrer aus Lübeck, Bremen, Holstein) „sunte Hulpe“, „Hulpesberg“ genannt. Der Name Stuffenberg, Staufenberg, verschwand mit der Zeit völlig. Das gläubige Volk fand bei dem Hülfenskreuz „Hülfe“, manchmal wunderbare Hülfe. Man nannte das Kreuz einfachhin die „heilige Hülfe“. Der Berg wurde später allgemein „Gehülfensberg“, „Hulferichsberg“, genannt. Dies ist in Wirklichkeit eine Verdeutschung des lat. Namens „mons Salvatoris“ = Berg des Heilandes, des Erlösers, der auch Helfer, Gehilfe, Gehulfe, heilige Hülfe genannt wird und Patron der Kirche ist. Das Wort „Sente“ (Sancte) schwand mit der Zeit, der Buchstabe „Ge“ fiel fort; es entstand der alte, bekannte Name „Hülfensberg“.

Beim Aufstieg sehen wir die Anhöhe über dem Dorf, „Heyberg“ genannt. Dort bietet sich eine schöne Aussicht auf das Dorf und die Frieda. Der Name bedeutet Berg eines Hegers (Hauberg), „Hey“ = mhd. Heger, Aufseher, Hegung, Wall. Der Heyberg war in früheren Jahrhunderten bewaldet. In der Zeit der Haubergswirtschaft schlug man aus dem Buschholz (Stangenhölzer) Brennholz für die Holzkohle und Lohe für die Lederverarbeitung. Der Name wurde später von den Karthographen falsch verstanden und in Heuberg (Heu) umgewandelt.

Vor dem Heyberg liegt der „ Liebersiber“ (Liebesiber). Hier wird die Keimzelle der Ortssiedlung vermutet. Die Bedingungen waren an dieser Stelle für die ersten Siedler an der Bachaue günstig.

Der Name bedeutet Anhöhe, von der man Ausschau hält, mhd. lusen, = lauschen, spähen. Man hat „Liebersiber“ auch einen Personennamen zugrundegelegt und die Stelle als Siedlung des Lieberich oder Litterich bezeichnet. Hier soll der Weiler „Lietershusen“ (Lieterichshusen, Litterichshusen) gelegen haben. Hier standen die Häuser des Liutrich, Liuther. Um 1420 erhält Helferich v. Schwarzberg vom Erzbischof Konrad von Mainz ein Lehen mit einer Hufe zu Litterichshusen.

Im nahen Herrental stehen wir am Wege nach Döringsdorf auf einem Berghang, der „ Geislieden“ (Geisliethen, Geisleiten, Geislieten, Geislade) heißt.

Der Name bedeutet Bergabhang, Berglehne, ahd. = hlt, hlita, mhd. = lite, = Hang, Bergabhang, Liete, Leite.

Im Bestimmungswort steckt Geis (Ziege). Auf der Berglehne war in germanischer Zeit eine Geiß – Ziegenweide, auf der Opferböcke für die Donarstätte auf dem Stuffenberg (Hülfensberg) gehalten wurden. Die Böcke waren Donar heilig. Hier war nach dem fränkischen Großreich eine „Kaiserliete“ (Keyssersliete), (Salbuch der Stadt Wanfried v. 1580).

Der tiefe Graben „Herrental“ (Herrentail) erinnert an die fränkisch-karolinische Zeit. Hier war altes Reichsgut. Das Gebiet kam durch Schenkung an den Erzbischof von Mainz. Später erhielt die Pfarrkirche in diesem Grund das Kirchholz. Die v. Hanstein übten hier das Jagdrecht aus.

Ein Flurstück am Fuße des Hülfensberg beim Petersberg wird = Diewelsnasen genannt. Der Name lässt auf einen Personennamen schließen. Hier war das Land des Thiobald. Die Ableitung von Teufel wurde bisher abgelehnt, da hierzu eine Teufelssage fehlt. 1326 besitzt der Erzbischof von Mainz dieses Land. Die „Diewelsnasen“ stößt an die Gemarkung Lengenfeld.

Ein Feldweg führt unter der Bahn, an der Frieda entlang, zum „Tanzborn“. Hier ist quellenreiches Gebiet, wo nach altem Brauch bei der Einholung des Maibaumes getanzt wurde. Unsere heidnischen Vorfahren brachten an Quellen und Bächen ihre Opfergaben dar, um die Gunst der Geister in den Gewässern und Fluren zu gewinnen. In christlicher Zeit zogen die Bewohner zur Quelle, um Gott Lob- und Dankesopfer darzubringen.

„Am Keudelstein“ an der Straße nach Döringsdorf befinden sich größere Ländereien. Ein schöner Waldweg führt uns dort auf den Keudelstein. Dort saß das alte Geschlecht der v. Keudel, die auf dem Süd-Eichsfeld begütert waren. Um 1552 wird auf der wüsten Stätte „villa Kuwels“ (Kubsdorf, Kywobsdorf, Küwelsdorf) ein Gutshof mit Herrenhaus erbaut. Eine Urkunde von 1559 im Pfänner-Archiv zu Allendorf-Sooden enthält alte Namen in einem Abkommen des Landgrafen Philipp und der Gemeinde Wanfried wegen Gehölze am Keudelstein. Es heißt dort u. a.: „furtan uf dem höchsten hinaus uf die Steinrutschen an dem Hildebrandtshaussischen pfade über die Pleß hinaus uf die Bramberg, itzt der Keudelstein genannt — in diesem bezirk ligt der Kanstein, die Pleß und Borgenrode, — furter von der Bramborg oder Keudelstein in die Ulrichs birken, – in diesem bezirk ligt das Duringsdorffsche Holz (Döringsdorf), die Hohenelle und Strorumpf.“ 1583 kommt Döringsdorf mit Gehölz in Ulrichsbirken als letzter Ort im Tauschwege von Hessen an das Eichsfeld (Kurmainz).

Kubsdorf war kurmainzisches Lehen der Ritter v. Keudel, die Burgmannen auf der Burg Stein (Bischofstein) waren und 1792 ausstarben. Der Volksmund erzählt vom Keudelstein eine Sage. Christoph Martin aus Geismar erwarb um 1840 den Keudelstein. Sein Bruder, unser Bischof Dr. Konrad Martin von Paderborn, weilte auf seinen Reisen zum Eichsfeld gern an dieser Stätte. Das Martinsche Gut in Geismar verwaltete in dieser Zeit der Vater unseres Heimatschriftstellers Pfarrer Höppner.

Über dem Keudelstein liegt die „Keudelskuppe“ mit Spuren von Ringwällen. Dort ist eine herrliche Aussicht ins Werratal. Heinrich IV. (1056 – 1106) befestigte um 1070 die Kuppe und das Castrum Plesse (Kastell). Hier beginnt ein bewaldeter Bergrücken, die „Plesse“ (483 m). Der zur Werra schroff abfallende Berg bedeutet „heller Fleck“, ahd. blassa, mhd. blasse. Die weiße Felsenwand leuchtet noch heute herüber zum Hülfensberg. Um 1640 stürzte ein Steilhang an der Plesse mit großem Gepolter in die Tiefe, wobei in Wanfried die Tassen ellenhoch flogen. Die Flora der Plesse ist von Prof. Neureuter oft durchforscht worden. In seinem Buch „Die Flora des Eichsfeldes“ findet man die schönsten Vertreter der Kalkflora, der Plesse. In diesem Grenzgebiet waren die Herren v. Plesse einst begütert.

Beim Keudelstein und an der Plesse sind außer Kubsdorf noch mehrere alte Siedlungen (Wüstungen) nachgewiesen.

„Villa Wintersdorf“, Ortswüstung bei Hildebrandshausen in der Windischen Mark, früher ein Lehen der Keudel.

Der Name „Winde“, ahd. Windi, Winida, Winda, mhd. Wanden = Wenden, ist in das Wort „Winter“ umgedeutet worden. Man hat auch den Familiennamen Winter zugrundegelegt und „Winne“ und „Wunne“ = kahle, mit Gras bewachsene Stelle, damit in Verbindung gebracht.

„Villa Vochenrot" (Vocenroth, Vochenhrot) im Vockental (Fockental, Fackenthal) war die Siedlung eines Vocko, Focko, Vocke. In der Nähe der Rodung lag das Vockemal (Grenzverhau mit Schlagbaum). Plesse und Vockemal waren Mainzer Besitz.

„Villa Heßlingerode“, ein wüster Ort am Weg Faulungen – Wanfried, einst ein blühendes Dorf, dass im 30-Jährigen Krieg untergegangen ist. Reste vom alten Friedhof sind heute noch vorhanden. Zu Heßlingerode gehörte Grünroda (Grunrode) an der Straße Katharinenberg — Wanfried, heute ein Flurname.

„Villa Keßlingsroda“ (Keßlingerode) Orts- und Flurwüstungen bei Hildebrandshausen, 1583 wüst.

„Villa Burgerode“ (Borgenrode) erinnert an eine Burg an der Plesse, zu der die Siedlung gehörte.

Otto Martin
(Quelle: „Eichsfelder Heimatstimmen“, Juli-Ausgabe 1965)