Winterwanderung an der Kanonenbahn

Bei herrlichem Sonnenschein habe ich am vergangenen Freitag mit meiner Frau eine Wanderung vom Küllstedter Tunnel bis nach Lengenfeld u. Stein zum Entenbergtunnel unternommen. Von dort gelangt man auf kurzem Weg zur Hagemühle.

Weit und breit keine Menschenseele, entlang den Schienen der alten Kanonenbahn, reichlich Gelegenheit seinen Gedanken nachzuhängen. Der zusätzliche Vorteil einer solchen Wanderung im Winter, man kann gut durch das Geäst der Bäume schauen und die Örtlichkeiten entlang der Kanonenbahn in Augenschein nehmen.

Im Vorfeld unsere Wanderung hatte ich einmal nachgesehen, was über Schnee und Eis in der Vergangenheit an der Kanonenbahn berichtet wurde und natürlich wurde ich bei Eduard Fritze fündig, aber auch in der Bischofstein-Chronik fand ich einiges über den furchtbar kalten Winter des Jahres 1940/1941. Dies wiederum inspirierte mich mal nach Motiven in meinem Archiv Ausschau zu halten, auf denen "Winterereignisse" an der Kanonenbahn festgehalten sind. Dabei kam ich auf eine erstaunliche Bilderzahl über den Winter rechts und links der Kanonenbahn.

Fazit: Kälte im Februar ist nicht so arg ungewöhnlich und verglichen mit dem Leben in früheren Zeiten bei solchen für uns ungewohnten niedrigen Temperaturen um die 20 Grad Minus geht es uns doch eher erstaunlich gut dabei und vom gemütlichen Fernsehsessel sehen wir den Wetterunbilden gelassen entgegen. Und nun ist ja auch schon fast alles wieder vorbei. Deshalb hier noch schnell eine kleine Leseprobe aus Eduard Fritzes Buch über den Bahnhof Küllstedt mit seinen Winterschilderungen der Jahre 1940 - 1942.

Bernward Seipel, Hagemühle

Drei harte Kriegswinter – Vor 70 Jahren

Die Kälte hat wohl die meisten von uns ein wenig überrascht und verglichen mit den Mühen die Schnee und Kälte unseren Vorfahren brachten, haben wir nicht wirklich Grund zum Klagen.  In der Literatur rund um die Kanonenbahn finden sich auch einige interessante Texte und diverses Bildmaterial, welches uns zum Träumen und Nachdenken anregt.

Hier ein Auszug aus dem Buch von Eduard Fritze „Die Eichsfelder Kanonenbahn und der Bahnhof Küllstedt“:

„Drei harte Kriegswinter während des 2. Weltkriegs in der Folge brachten auch dem Bahnhof Küllstedt vielerlei Schwierigkeiten und Probleme. Das Bahnhofsgelände mit den Gebäuden und Bahnsteigen, die Gleisanlagen mit den Weichen und dem Signalsystem, mussten immer wieder von Schneemassen und Eis befreit werden. Diese Arbeitsfülle konnte nur durch den zusätzlichen Einsatz von Bahnunterhaltungsarbeitern des zuständigen Rottenmeisters bewältigt werden.

Im Winter 1939/40 hielt bei hoher Schneelage eine Kälteperiode mit Temperaturen unter - 20 Grad Celsius bis - 32 Grad Celsius vom Dezember 1939 bis zum 20. Februar 1940 unvermindert an. Im Küllstedter Tunnel gefährdeten an einigen Stellen lange Eiszapfen, die sich besonders nachts bildeten, den Fahrbetrieb. Sie mussten vor dem ersten Frühzug durch Abschlagen beseitigt werden. Bei dieser Tätigkeit kam es zu einem Deckengewölbeeinbruch. Durch zahlreiche große herabgestürzte Sandsteinquaderblöcke waren die Bahnschienen blockiert und die Strecke unbefahrbar. Der Rottenmeister Heinrich Fritze konnte nur durch Verwendung von Knallkapseln eine eventuelle Entgleisung verhindern und den Zug vor der Gefahrenstelle zum Halten bringen.

 Der zweite Kriegswinter 1940/41 brachte ungeheure Schneemassen, die sich besonders als Verkehrshindernis auswirkten. Auf den Straßen und den Bahneinschnitten gab es meterhohe Verwehungen. Die Bahnstrecke musste immer wieder durch Schneepflugeinsatz geräumt werden. Der Winter 1942 übertraf noch die beiden vorhergegangenen an Kälte und Schnee. Der Januar war weniger schneereich, aber entsetzlich kalt. Am 26./27. Januar sank das Thermometer auf  - 35 Grad Celsius. Am 13 Februar begann ein anhaltender, mehrtägiger Schneesturm, der landesweit meterhohe Verwehungen brachte. Im Bereich des Obereichsfeldes kam der gesamte Straßenverkehr völlig zum Erliegen. Ein Wegräumen der Schneemassen mit dem Schneepflug war selbst sechsspännig mit 12 Pferden nicht mehr möglich, weil die Pferde zu tief im Schnee einsanken und dadurch keinen Kraft zum ziehen hatten. Völlig zugeweht  und auch für Fußgänger kaum passierbar war die Küllstedter Bahnhofstraße. Notgedrungen quälten sich trotzdem eine Anzahl Menschen durch die riesigen Schneemassen vom und zum Bahnhof. Es waren dies vor allem, die aus Pflichtbewusstsein handelnden Bahnbeschäftigten, die zeitlich gebundenen Zugreisenden und die Belegschaft der Großhandelsfirma Karl Müller. Dabei war es stellenweise nur möglich vorranzukommen, indem man neben der Straße auf dem angrenzenden Feld sich bewegte.

Nach Abflauen des Schneesturms brachte der Küllstedter Bürgermeister die Einwohner mit einer Gemeinschaftsarbeit zum Einsatz. Es hatte sich in diesen Tagen, bedingt durch den ständigen Einsatz des Eisenbahnschneepflugs, die Zugverbindung als einzige zuverlässige Lebensader für die  durch die ungeheuren Schneemassen von der Außenwelt abgeschnittenen Obereichsfelder Dörfer erwiesen. Deshalb hatte die Bahnhofstraße vorrangige Bedeutung. In der dem Schneesturm folgenden Woche, wurde in zwei  Tagen unter breiter Beteiligung der Küllstedter Einwohner  die 1,4 Kilometer lange Bahnhofstraße  per Hand frei geschaufelt. Dabei wurden Schneewehenhöhen von 2,70 m gemessen. Etagenweise schaufelte man den Schnee nach den Seiten. Die am Straßenrand aufgetürmten Schneemassen erreichten Höhen zwischen 3 - 4 Metern und stellenweise noch darüber.

Von den Apfelbäumen an der rechten Straßenseite ragten größtenteils nur noch die Zweigspitzen aus dem Schnee. Auf der linken seite in Richtung Dorf, konnte man auf dem Schneewall stehend, bequem die Kupferdrähte und Isolatoren der Telefonleitung mit der Hand berühren. Die Straße war nun ein endlos erscheinender  grabenähnlicher Einschnittsschacht, der aufgrund der Enge und senkrecht aufragender sehr massiven Seitenwände vom Schneepflug nicht weiter geräumt werden konnte.“