Neues vom Radweg – gibt’s was Neues?

Lengenfeld unterm Stein: Wir schreiben das Jahr 2030. Es ist Montag, der 15.März, 6.50 Uhr. Ich, mittlerweile 66 Jahre alt und kurz vor dem Eintritt in das Rentenalter, fahre, wie fast jeden Morgen, mit dem Rad Richtung Ershausen zur Arbeit. Eigentlich ein ganz normaler Tag, und doch, heute ist es anders, denn heute ist der Tag der Entscheidung. Ich muss mich nämlich für einen der drei Radwege, die mit dem heutigen Tag feierlich der Allgemeinheit übergeben werden, entscheiden!! Wähle ich den Radweg an der Kanonenbahnstrecke, nehme ich den straßenbegleitenden Radweg an der inzwischen 4-spurig ausgebauten Bundesstraße Richtung Geismar oder fahre ich auf dem idyllischen Radweg entlang der Frieda auf dem Kanal der 2028 fertiggestellten Kläranlage Frieda?? Aber kurz zur Vorgeschichte. Nachdem der Kanonenbahnverein e.V. in den letzten 25 Jahren in mühseliger Kleinarbeit sein Streckennetz bis nach Hessen und Niedersachsen ausgebaut hatte und das Draisinefahren auf Grund der stetig wachsenden Popularität zur olympischen Disziplin erklärt wurde, hatte man doch in den letzten Jahren auf unerklärliche Weise Einnahmeverluste in Millionenhöhe zu beklagen. Deshalb entschloss sich die Konzernleitung, einen letzten Trumpf auszuspielen – den schon lange geplanten, aber nie verwirklichten Bau eines Radweges entlang der Gleise. Dazu musste allerdings ein klitzekleines Problem aus der Welt geschafft werden, nämlich Geismar. In einer militärischen Blitzaktion wurde die starrsinnige Gemeinde eingenommen, das Land annektiert und die Kriegsgefangenen zum Bau des Radweges eingesetzt. Das finanziell angeschlagene Klärwerk Frieda kramte seinerseits uralte Pläne zum Bau eines Radweges entlang des gleichnamigen Flusses aus der Schublade, um ebenfalls vom nun wahrscheinlich einsetzenden Massenradtourismus zu profitieren. Die Radler sollten gezielt ins Klärwerk gelenkt werden, wo ihnen bei attraktiven Freizeitangeboten das Geldausgeben leicht gemacht werden würde.

Um nicht ganz leer auszugehen, entschloss sich die Gemeinde Lengenfeld unterm Stein, mittlerweile in die Top Ten der Ortschaften in Europa ohne Radweg aufgestiegen, nun doch zum Ausbau des Radweges entlang der vielbefahrenen Bundesstraße …

Und nun stehe ich hier, mein Puls rast, dicke Schweißperlen glitzern auf meiner Stirn und keiner kann mir helfen! Da fällt mir ein alter Abzählreim aus meiner Kindheit ein, also gut: „Eene meene Miste, es rappelt in der Kiste, eene meene meck, und du bist weg!“ Okay, der Kanonenbahnradweg ist aus dem Rennen, bleiben noch zwei. „Eene meene Miste …“ Plötzlich wache ich auf, völlig verwirrt schaue ich auf den Wecker! Es ist Montag, der 15.03.2010, 5.50 Uhr! Gott sei Dank, alles nur ein böser Albtraum! Vergnügt steige ich aus dem Bett, trinke gemütlich Kaffe und fahre auf der engen, beschaulichen Landstraße Richtung Geismar mit dem Rad zur Arbeit. Hinter mir das gewohnte Geräusch quietschender Reifen nach einer Vollbremsung, neben mir der laue Luftzug eines äußerst dicht überholenden 40-Tonnen-Sattelschleppers und über mir kreisende Geier. Alles wie gehabt, alles bestens!

Ich denke so bei mir: „Radwege, wer zum Teufel braucht eigentlich Radwege?“