Die erste Montagsdemo 1989 in Lengenfeld unterm Stein – Ein Kirmeserlebnis der besonderen Art
Als vor 20 Jahren im Herbst 1989 überall in der DDR die Menschen auf die Straße gingen, regte sich im Oktober auch bei uns der erste Widerstand. Aus diesem Anlass möchte ich schildern, wie ich die erste Montags-Demonstration in Lengenfeld unterm Stein erlebte, die genau auf den damaligen Kirmesmontag, den 23. Oktober 1989 fiel. Zusammen mit Roland Krebs war ich Platzmeister der Kirmes 1989.
Die Kirmes lief eigentlich ganz normal wie immer, nur eben mit dem Gefühl, dass irgendwas „in der Luft lag“, eine Art Spannung, wann es denn bei uns losgehen würde. Damals war es noch üblich, dass am Kirmesmontag die Platzmeister und Kirmesburschen zu den Mädchen zum Abendbrot gingen und abends war noch Tanz. Als wir um 19.45 Uhr auf dem Anger eintrafen, war er bereits von brennenden Kerzen hell erleuchtet. Ich war sehr überrascht, weil ich gerade an diesem Tag nicht damit gerechnet hatte (erst viel später erfuhr ich, dass Bekannte von uns die Sache vorbereitet hatten). Wir hielten eine Weile inne und wussten erst nicht so richtig, was wir machen sollten. Ein bisschen Angst vor ungewissem Ausgang spielte schon mit, weil einige Tage zuvor in Struth Jugendliche nach einer Protestaktion verhaftet wurden. Zudem machte das Gerücht die Runde, auf dem Bürgermeisteramt lägen Waffen bereit, um möglichen Aufruhr niederzuschlagen. Die Spannung legte sich erst, als uns jemand Kerzen in die Hand drückte und wir diese unter Applaus anzündeten und zu den anderen stellten. Auch der Bürgermeister reagierte besonnen und mahnte lediglich die Brandgefahr an, die von den Kerzen ausgehen könne. So waren alle ein wenig beruhigt und nun konnten wir eine gute halbe Stunde später als geplant, um ca. 20.30 Uhr in den Saal einziehen und endlich den Kirmestanz eröffnen. Eine gewisse Aufregung war trotzdem den ganzen Abend dabei, waren wir uns doch sicher, dass schon während der letzten Tanzabende Stasileute anwesend waren. Auf einmal, zu vorgerückter Stunde, riss ein übermutiger Kirmesbursche das Erich-Honecker-Portrait von einer Wand auf der Bühne und hielt es jubelnd mit beiden Händen hoch in Richtung Tanzfläche. Mir blieb nichts anderes übrig, als einzugreifen und ihm das Bild abzunehmen, um Schlimmeres zu verhindern. Schließlich hätte das für die Stasi und/oder die Polizei ein Grund sein können, die Kirmes abzubrechen oder andere drastischere Maßnahmen zu ergreifen.
Zum Glück ist alles gut gegangen und die Kirmes konnte ihren gewohnten Lauf nehmen und zu Ende geführt werden, worüber wir als Platzmeister besonders erleichtert waren. Von da an gab es regelmäßig Montagsdemos auf dem Anger und aufgrund der folgenden politischen Ereignisse hatte niemand mehr etwas zu befürchten. Die DDR-Staatsmacht hatte ihren Schrecken verloren.