Transalpine Run - Ein Lauf der besonderen Art
Das Jahr neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Es kehren Ruhe und Besinnlichkeit ein (bis auf den Weihnachtsstress) und auch der Läufer macht eine kleine Laufpause. Man lässt das Jahr noch mal vorüberziehen mit all seinen Ereignissen und Eindrücken. Da waren für mich, von der läuferischen Seite betrachtet, der Rennsteiglauf, der 4. Kanonenbahnlauf mit über 200 Teilnehmern, der Einheitslauf von Mühlhausen nach Treffurt und zurück und vom 02.09.2006-09.09.2006 der Transalpine-Run. Über diesen „Wahnsinn“ möchte ich ein paar Zeilen schreiben. Vielleicht am Anfang nur nackte Zahlen, was diesen Lauf betrifft: 244 km und rund 15000 Höhenmeter waren laufend zu bewältigen. Jeder „normale“ Mensch fragt sich spätestens beim 2. Durchlesen: „Und diese Strecke soll man laufen?“ Zugegeben, als mich mein Lauffreund Manfred aus Mühlhausen Anfang des Jahres fragte, ob ich nicht Lust habe, das Ding zu laufen, wurde mir auch etwas flau in der Magengegend. An meine Füße und Beine hatte ich noch gar nicht gedacht.
Der Transalpine-Run ist ein Geländelauf durch die Alpen mit Startort Oberstdorf (D) und Ziel Latsch (I) im Vinschgau. Er führt auf einer der landschaftlich schönsten Routen (Allgäuer-Alpen-Lächtaler – Alpen-Ferwall-Silvretta-Sesvennagruppe – südliche Ötztaler Alpen) in 8 Tagesetappen durch 4 Länder über die Alpen. Gestartet wurde in 2er-Teams schon alleine wegen der Sicherheit im Gebirge. Nachdem ich mich das ganz Jahr, so gut es möglich war, auf diese Herausforderung vorbereitet hatte, ging es am 01.09.2006 endlich los. 100te Trainingskilometer lagen hinter mir und so mancher Liter Schweiß wurde vergossen.
In Oberstdorf angekommen, ging es gleich zur Anmeldung und dort sammelte ich auch die ersten bleibenden Eindrücke. Dort waren nämlich die einzelnen Etappen mit Kilometern und Höhenprofil fein säuberlich an die Wand gepinnt. „Das kann ja heiter werden und warum sehen die anderen Läufer so unglaublich fit aus?“ Nach der ersten unruhigen Nacht auf der Isomatte fiel am 02.09.2006 um 11:30 Uhr in Oberstdorf der Startschuss. Vor uns lagen 28,9 km, 1496 Höhenmeter im Aufstieg und 1085 m im Abstieg. Begleitet vom tosenden Applaus der begeisterten Zuschauer liefen die 116 Teams aus 12 Nationen los. Hier war schon zum ersten Mal Gänsehautfeeling angesagt. Die ersten 10 km waren gut zu laufen, sie führten auf Asphalt und Forstwegen Richtung Kemptner Hütte auf 1080 m. Dementsprechend flott ging es bei Manfred und mir voran und die 28,9 km waren ja auch nicht das Problem – dachte ich zumindest.
Bis zum Mädelejoch (1973-Meter-Landesgrenze Deutschland – Österreich) war die ganze Sache noch ein Kinderspiel. Aber danach folgte ein Abstieg der übelsten Sorte: Ein schmaler, steiniger Steig mit Schneeresten und sehr schwierig schnell zu laufen. Er führte uns ca. 5 km ins Tal hinab nach Holzgau (A), 1141 m, wo ich mit meinen Kräften schon mehr als am Ende war. Die Oberschenkel brannten wie ein Osterfeuer und erste Krämpfe stellten sich ein. Den folgenden Anstieg von ungefähr 4 km konnte ich nur im Gehen absolvieren. Manfred motivierte mich zwar pausenlos, aber bestimmt dachte er „au, au“. Vorangetrieben vom Teamgeist und Manfred erreichten wir nach 3 Stunden und 47 Minuten das Ziel in Steeg (A) im schönen Lechtal. Nachdem Manfred mich und sich mit Getränken, Kuchen und Melonenstücken versorgt hatte, konnte ich so langsam wieder klare Gedanken fassen. Einer davon war: „Unmöglich, wieder knapp 30 km zu laufen“ – zumindest nicht mit meinen eigenen Beinen. Nach einer weiteren unruhigen und kurzen Nacht (die Ersten begannen schon kurz nach 5 Uhr sich zu präparieren) fiel pünktlich um 8 Uhr der Startschuss der 2. Etappe Steeg (A) – St. Anton (A) am Aalberg. Vor uns lagen wieder gute 30 km mit 1947 m Aufstieg und 1785 m im Abstieg. Ich konnte es kaum glauben, aber meine Beine gehorchten mir wieder. Zuerst liefen wir ca. 20 km bergauf bis zum höchsten Punkt der Etappe – das Valfahrgehrjoch auf 2543 m und von dort aus ging es über die Ulmer Hütte hinab nach St. Anton (A) in 1286 m. Wir erreichten nach 3 Stunden und 53 Minuten doch recht entspannt das Ziel.
Mir ging es diesmal richtig gut und ich hatte bis auf einen Muskelkater in den Oberschenkeln keine Probleme. Ich fühlte mich einfach nur glücklich, dass es so gut gelaufen war und so sah ich den kommenden Etappen etwas entspannter entgegen. Nach einem kurzen Stadtbummel und anschließender Pastaparty, auf der wir unsere Energiespeicher mit Nudeln und Hefebier wieder auffüllten, war gegen 21:30 Uhr der Tag für mich beendet und ich verkroch mich in meinen Schlafsack.
Der nächste Morgen begann wie im richtigen Leben: 6 Uhr aufstehen, frühstücken und ran an die „Arbeit“. Heute sollte es richtig hart werden: 37,1 km, 2364 Höhenmeter und 2290 m im Abstieg wollten bewältigt werden. Manfred und ich verstanden uns gut, und dementsprechend lief es auch super. Andere Teams hatten da ihre kleinen Probleme. Nachdem der erste Anstieg vorbei an der Darmstädter Hütte (2384 m) bis zum Kuchenjoch (2730 m) geschafft war bei tollem sonnigen Wetter, ging es steil bergab zur Konstanzer Hütte auf 1770 m. Danach ging es weiter auf schmalen Steigen durch teilweise alpines Gelände hinauf zum Schafbichljoch auf 2636 m. Dort stellte sich wieder ein absolutes Glücksgefühl bei mir ein (natürlich auch bei Manfred) – man hatte es „einfach“ wieder geschafft. Der blanke Wahnsinn, absolut geil. Nun lagen noch „lockere“ 13 km bergab vor uns, die wir ganz gut meisterten und sogar noch einige Teams überholten, um nach 5 Stunden und 40 Minuten als 6. Team in unserer Alterklasse durch das Ziel in Ischgl (A) zu laufen.
Dieses Mal hatte es mich erwischt: Eine riesige Blase unter der linken Ferse, welche sogar bei der anschließenden Massage bestaunt und bewundert wurde. Leider war mir nicht nach Scherzen zu Mute, denn es tat höllisch weh. Zudem stand am nächsten Tag auch die Königsetappe über 42,195 km und 2234 Höhenmeter im Aufstieg auf dem Programm. Ein echter Marathon eben, nur nicht ganz so flach. Aber nach einer guten Pasta und viel Flüssigkeit (Weizenbier- natürlich alkoholfrei) schauten wir optimistisch auf den kommenden Tag, der uns von Ischgl (A) nach Scoul in die Schweiz führen sollte.
Von diesen „geilen Strapazen “ und den letzten 4 Etappen berichte ich in einer der nächsten Ausgaben des Lengenfelder Echos.