Kanonenbahn – und wie weiter?

Bilderstrecke
Lengenfelder Bahnhof
Bilderstrecke zur Kanonenbahn

Vorgeschichte und Veranlassung

Die derzeitige Eigentümerin der Bahnstrecke zwischen Silberhausen und Treysa im Abschnitt zwischen Dingelstädt und Geismar, die Deutsche Bahn AG, hat diesen Streckenabschnitt der „Kanonenbahn“ im Jahre 1992 aus Gründen der Wirtschaftlichkeit (zu geringe Personenbeförderungszahlen und Gütertransportmengen) still gelegt. Der Streckenabschnitt kann von der Deutschen Bahn AG nach der Durchführung eines Entwidmungsverfahrens einstweilig gesichert oder teilweise oder ganz zurück gebaut und somit dauerhaft einer eisenbahntechnischen Nutzung entzogen werden. Da in der letzten Zeit die Erfolgsaussichten einer Verwertung des verbauten Materials erheblich gestiegen sind, wird es für die DB immer lukrativer, Teile der eisenbahntechnischen Anlagen zu verwerten, somit aber auch, für alle Zukunft jegliche Art einer weiteren Nutzung unmöglich zu machen.
Sollte dieser Fall eintreten, muß damit gerechnet werden, dass mit Blick auf die Folgekosten einer stillgelegten Strecke – wie andere Beispiele belegen - auf der Strecke nicht nur sämtliches Schienenmaterial einschließlich des Unterbaus, sondern zum Teil auch an der Strecke befindliche Bauwerke abgebaut würden. Bei der Kanoenbahn betrifft dies aber nicht nur einen beliebigen Streckenverlauf, sondern ein in sich einmaliges Terrain, bestehend aus mehreren Tunneln und mehreren Viadukten, insbesondere dem technischen Baudenkmal des Lengenfelder Viadukts, ein das Ortsbild unvergleichbar prägendes Bauwerk.

Im Anschluss auf die Betriebseinstellung entstanden bereits verschiedentlich Initiativen, die Stilllegung wieder aufzuheben. Allerdings blieben diese nur begrenzt erfolgreich. Die Initiative zur Wiederinbetriebnahme entsprach auch der Zielsetzung des bis heute noch gültigen Raumordnungsplans (Regionaler Raumordungsplan Nordthüringen). Stattdessen wurde aber durch die Deutsche Bahn AG bereits ein Teilrückbau an Kreuzungspunkten vorgenommen; derartiges konnte aber gegenüber der Eigentümerin weder verhindert noch sanktioniert werden.

Grundgedanke ist es also, die Bauwerke und die Strecke möglichst als Ganzes erhalten zu können. Auch aufgrund der geäußerten Überlegungen des bisherigen Eigentümers, Teile der Strecke abbauen zu wollen, wurde klar, dass ohne ein entsprechendes Engagement von Gemeinden und Verein die Chancen für einen Erhalt bzw. die Nachnutzbarkeit immer weiter sinken würden. Dazu wurde nach Gesprächen mit den Anliegerkommunen und interessierten Bürgern zunächst der Kanonenbahnverein gegründet. Recht bald wurde aber deutlich, dass mangels privater Investoren der KVL nicht in der Lage sein wird, allein und aus eigener Kraft den Erhalt der Bauwerke zu sichern.
Deshalb begannen die Anliegerkommunen mit Unterstützung des Landrats des Unstrut-Hainich-Kreises, des Landratsamtes Unstrut-Hainich-Kreis, der Verwaltung des Naturparks Eichsfeld- Hainich-Werratal, des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur und des Vereins Eichsfeld- aktiv frühzeitig, die Möglichkeiten einer Nachnutzung mit dem Ziel zu untersuchen, diesen Streckenabschnitt der früheren Kanonenbahn und deren Bauwerke dauerhaft zu erhalten.

Es entstand das Ziel einer touristischen Nutzung, die bestehende Gleisstrecke ohne Bedenken an der Statik der Bauwerke langfristig als Draisinenstrecke zu nutzen und dazu den Bahnkörper Rad- und Wanderweg auszubauen. Dieser Radweg würde die Verbindung des überregionalen Radwanderweges des Unstrut-Saale-Radwegs mit dem bereits viel befahrenen Werra- Weser- Radwanderweg herstellen. Daraufhin wurde die Realisierbarkeit eines solchen Projekts geprüft.

Das Projektziel entspricht den Zielsetzungen des aktuellen Landesentwicklungsplans 2004 (LEP), des künftigen Regionalplans Nordthüringen, der Entwicklungsziele des Naturparks Eichfeld- Hainich-Werratal sowie der Agrarstrukturellen Entwicklungsplanungen (AEP) der Regionale Entwicklungskonzept des Hainich-Werratals. Nach der Studie der Fachhochschule Erfurt (2004) wird dem Projekt aufgrund der dauerhaften Konkurrenzlosigkeit mit gleichartigen ähnlichen grundsätzlich eine tatsächliche Realisierbarkeit bescheinigt. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gesamtprojektziel in Einzelaufgaben aufgeteilt wird, die Kommunen dabei die Aufgabe der Erhaltung bzw. des Aufbaus der technischen und begleitenden touristischen Infrastruktur übernehmen. Durch einen Verein oder Anderen kann dann – betrieblich organisiert – der Draisinenbetrieb organisiert und abgewickelt werden. Es wurde im Verlaufe der Verhandlungen über die Nachnutzung der Strecke mit der bisherigen Eigentümerin deutlich, dass diese einer dauerhaften Pacht- oder Mietlösung (Verkehrssicherungspflicht bliebe grundsätzlich bei der Eigentümerin) nicht zustimmen wird.

Letzterem folgt nun, nachdem im Vorfeld mehrere Nutzungs- und Vermarktungsvarianten in verschiedenster Form und Trägerschaft, insbesondere auf der Grundlage der o.g. Studie untersucht wurden, die Absicht, die Strecke von der bisherigen Eigentümerin zu erwerben. Es entstand zum Abschluss dieses seit mehr als viereinhalb Jahren währenden Entwicklungsprozesses, in dem entsprechend der o.a. bezeichneten Ziele nach der bestmöglichen und am besten geeigneten Form zur Umsetzung gesucht wurde, die Absicht zur Gründung der Eichsfelder Kanonenbahn gGmbH.

Ziel und Zweck der Unternehmung soll sein:

Die Eichfelder Kanonenbahn gGmbH wird als Eigentümergesellschaft mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung der Gemeinde Lengenfeld unterm Stein sowie Minderheitsbeteiligung des Kanonenbahnvereins im Gebiet des Eichsfeldes, von Dingelstädt über die Gemarkungen der Gemeinden Küllstedt, Büttstedt, Effelder, Großbartloff im Eichfeldkreis, Lengenfeld unterm Stein und Hildebrandshausen im Unstrut-Hainich- Kreis bis Geismar (Eichsfeldkreis) die bisherige Bahnstrecke samt Nebenanlagen von der Deutschen Bahn AG käuflich erwerben, den Erhalt der Anlagen sichern und einem gemeinschaftlichen Nutzungszweck zuführen.

Das von den Beteiligten vereinbarte Ziel der Unternehmung besteht somit hauptsächlich in der Erhaltung der eisenbahntechnischen Baudenkmäler, d.h. zu einem Teil dem Denkmalschutz, zu einem anderen der Bestandserhaltung sowie dem Ausbau der Infrastruktur.

Ein zweites Ziel besteht in der Erweiterung der touristischen Infrastruktur der Kommunen und der Region mit der Herstellung eines Radweges entlang der Trasse der ehemaligen Kanonenbahn.

Ziel der Gesellschaft kann es aufgrund der Aufgabestellung aber nicht sein, für die Gesellschafter verwertbare Gewinne zu erzielen, weil erstrangig die Erhaltung der technischen Baudenkmäler und der Bauwerke im Mittelpunkt steht. Die Ausführung eines Draisinenbetriebs als Aufgabe gewährleistet aber das Erzielen von Einnahmen, die erstrangig der Ausgabendeckung dienen; entstehende Überschüsse sind zur Finanzierung der Instandhaltungsmaßnahmen zu verwenden.

Zweck der Gesellschaft im engeren Sinne ist es daher, durch ihre Geschäftstätigkeit selbst oder durch die Aufnahme von Rechtsbeziehungen zu Dritten Einnahmen und Gewinne zu erwirtschaften und diese zweckentsprechend so zu verwenden, dass die (gemeinnützigen) Ziele erfüllt werden.

Der Initiative folgen aber auch weitere Gedanken:

Durch die Entwicklung eines im Umkreis von mehr als 200 Kilometern nach seiner Art konkurrenzlosen touristischen Ziels (Draisinenverkehr: in der Fülle und Vielfalt seiner Attraktionen aber deutschlandweit unvergleichbar) soll das touristische Potential der Region aufgeschlossen werden.

Damit kann – wie andere Beispiele (z.B. Baumkronenpfad, Werrarad- und – wasserwanderweg) zeigen – nicht nur die bereits vorhandene touristische Infrastruktur in den anliegenden Gemeinden durch die deutlich höhere Anziehungskraft stärker genutzt, sondern auch in den bestehenden privaten Einrichtungen eine höhere Auslastung erzielt werden. Dies ermöglicht ferner, wachstumorientiert und auf der Grundlage einer steigenden Nachfrage durch die gestiegene touristische Attraktivität weitere Einrichtungen entlang der Gleisstrecke zu errichten, der auch durch die Besucher hinreichend angenommen wird.

Im Vordergrund steht aber das Verstärken und Verstetigen eines touristischen Zustroms in die Region mit dem Ziel, das bestehende Angebot höher auszulasten und künftige weitere Investitionen durch private Anbieter zu initiieren, insbesondere die Investitionsbereitschaft touristischer Anbieter (erhöhte Nachfrage nach Erholungseinrichtungen, im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe) deutlich zu erhöhen, von denen auch andere Wirtschaftszweige profitieren.

Insoweit tritt die Unternehmung nicht erstrangig selbst als Anbieter touristischer Dienstleistungen auf, sondern fördert durch die Verbesserung der Attraktivität die Entwicklung des Tourismus und der heimischen Wirtschaft.

Bestehende und zu erwartende Nachfragesituation

Der Erhalt der technischen Bauwerke entspricht dem öffentlichen Interesse der Anliegerkommunen; gleiches gilt für den Ausbau und die Erweiterung der touristischen Infrastruktur.

Speziell für die Erfolgsaussichten eines Radwegs und den Draisinenbetrieb wurde im Rahmen der Studie der Fachhochschule Erfurt (2004) eine vereinfachte Marktanalyse durchgeführt.

Der Radweg dient zum einen der Attraktivitätssteigerung des Draisinenbetriebs, aber auch der gesamten Region wegen der direkten Verbindung beider o.g. überregionalen Radwanderwege.

Für den Draisinenbetrieb gestaltet sich dies in Abhängigkeit von der noch zu klärenden Frage der Höhe einer etwaigen Pacht durch einen Betreiber. Obschon in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum und in Deutschland selbst mehrere Draisinenstrecken entstanden sind, gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur Konzentrationen in Nord- und Südwestdeutschland, so dass der Einzugsbereich weit mehr als 200 Kilometer beträgt. Selbst auf die üblichen Wege reduziert, die Tagestouristen (2- Stunden- Einzugsbereich) aufnehmen, ergibt sich für den Draisinenbetrieb noch immer ein konkurrenzfreies Einzugsgebiet von mehr als 3,64 Millionen Einwohnern. Dieses wird für mehr als ausreichend im Verhältnis zur maximalen Besucherkapazität erachtet, so dass auch von einer hohen Auslastung im Saisondurchschnitt ausgegangen werden kann. Folglich wird der Draisinenbetrieb nicht nur die allgemeinen Betriebsausgaben bei einem Betreiber decken, sondern überschüssige Erträge erwirtschaften, die erstrangig für die Bauwerksinstandhaltung zur Verfügung stehen.

Es wurde ein Probebetrieb von Mai bis Oktober 2006 zur Markteinführung auf einer kurzen Teilstrecke durch den Kanonenbahnverein durchgeführt. Dies wurde ausnahmsweise durch die Deutsche Bahn AG im Vorgriff auf eine Veräußerung bewilligt. Der derzeitige Betrieb ist aber weder professionell organisiert noch beworben. Die Nachfrage (bereits in der Saison mehr als 8.700 Besucher) und die Einnahmeentwicklung belegen, dass das Angebot einerseits über die Hauptferienzeit hinaus nahezu gleich bleibend stark angenommen wird, aber auch – wie in der Studie der Fachhochschule prognostiziert - weit über die Grenzen des Einzugsbereichs hinaus Attraktivität erwirbt. Die noch mangelnde Auslastung innerhalb der Woche ist dabei erwartungsgemäß darauf zurück zu führen, dass aufgrund der Befristung des Betriebs noch keine Verträge mit Touristikunternehmen abgeschlossen, die Werbung sowohl örtlich als auch im Umfang äußerst begrenzt blieb und die Strecke nur auf einem sehr kurzen Teilstück betrieben werden kann. Andererseits kann die derzeit verfügbare Tageskapazität an den besonders stark nachgefragten Wochenenden die Nachfrage bei weitem nicht decken.

Bereits für das nächste Jahr müsste unbedingt eine Kapazitätserhöhung erfolgen, um der Nachfrage ausreichend genügen zu können, sowie die Länge der Strecke erweitert werden, um das Angebot deutlich attraktiver zu gestalten.

Mithin ist festzustellen, dass eine ausreichend große Nachfrage für eine erfolgreiche Markteinführung besteht und diese auch künftig einen dauerhaft wirtschaftlich erfolgreichen Draisinenbetrieb gewährleisten wird.

Der Gemeinderat hat dem Vorhaben zugestimmt.