Der Wald, Heimstätte vieler Vogelarten (1992)

Der aufmerksame Spaziergänger stellt fest, wenn er Augen und Ohren offen hält, dass es eine Vielzahl von Vogelarten im Wald gibt. Sie sind wie alle Waldbewohner auch sehr scheu. So hört man den Eichelhäher sehr deutlich kreischen, doch von der Nähe sieht man ihn selten.

Da gibt es die Kohlmeise mit ihrer schwarzen Kopfhaube, die Blaumeise mit dem blauen Köpfchen. Die Tannenmeise sieht dagegen eher hässlich aus. Mit ihrem faden, grauen Federkleid wirkt sie wie verwittert.

Irgendwo in der Nähe hört man das Klopfen eines Spechtes. Man muss schon viel Glück haben, diesen herrlichen schwarz, weiß und rot gefiederten Buntspecht von der Nähe beobachten zu können. Er findet an den vom Pilz erkrankten und von Schädlingen befallenen Bäumen reichlich Nahrung. Der Buchfink schmettert unaufhörlich sein Liedchen im Frühling bei der Brautwerbung.

Und dort thront der Horst des Bussards auf einer sehr hohen, schlanken Buche. Die weißen Kotflecken am Waldboden verraten, dass dieser noch bewohnt ist. Doch leider muss ich feststellen, dass nur noch ein Vogel dieser Art seine Runden über unserem Ort dreht. Vor wenigen Jahren waren es noch bis zu fünf.

Ein Rabenpaar, welches am Waldrand schon seit vielen Jahren sein Domizil hat und jedes Jahr im Schnitt zwei Junge aufzog, ist wohl auch in diesem Sommer kinderlos geblieben.

Es war immer ein Schauspiel, wenn der Nachwuchs mit den Eltern die ersten Ausflüge unternahm. Wehe, wenn die Bussarde den Raben zu nahe kamen, dann gab es regelrechte Luftgefechte, bei denen auch manchmal die Federn flogen. Doch die schwarzen Raben mit ihren langen kräftigen Schnäbeln schlugen selbst die Übermacht der Bussarde in die Flucht. In diesem Sommer war es sehr ruhig. Die Raben sehen in dem einzelnen Bussard keine Konkurrenz.

Vor etwa 16 Jahren hatten wir das Glück, dass im Wald nach langer Zeit wieder ein Paar des Roten Milans heimisch wurde. Der Horst wurde gleich vorn am Steilhang des Hachelkopfes errichtet. Es war eine Augenweide, diese beiden rotbraunen und schwarz gefiederten Greifvögel über dem Dorf segeln zu sehen. Doch zur Nachzucht sollte es wohl nicht kommen. Denn kurze Zeit später wurde beim Holzeinschlag, beim Fällen eines Baumes, der Horst der Milane mit heruntergerissen. Das Brutgeschäft war damit gestört. Schade. Schon wenige Jahre später kehrte im Frühjahr nur ein Milan zurück. Er muss seinen Partner wohl im Süden verloren haben. Da diese Vogelart ihrem Partner ein ganzes Leben lang bis zum Tode treu bleibt, paaren sie sich auch nach dessen Tod nicht wieder. Und so kreiste auch in diesem Sommer der einsame Milan über unserem Dorf.

Doch nun wieder zurück zum Wald. Im zeitigen Frühjahr sind die Ringeltauben wieder im Lande. Das unaufhörliche Gurren ist schon von weitem vernehmbar. In der Brutzeit kommen sie oft bis ins Dorf, um Nahrung zu suchen. Ich hatte sie auch schon als Gast an meinem Hühnerfuttertrog. Ebenfalls im Frühjahr ist der Ruf des Kuckucks zu hören. Zu sehen bekommt man ihn aber kaum. Den Waldkauz glaubte ich schon bei uns hier als ausgestorben. Doch in diesem Frühjahr vernahm ich bei einem Spaziergang plötzlich ein dumpfes Rauschen. Ein dunkler Schatten strich über mich hinweg und auf einem niedrigen Buchenast ließ sich ein Waldkauz nieder. Zu meiner Beruhigung gibt es ihn also doch noch.

Ein Erlebnis besonderer Art hatte ich vor einigen Jahren. Wieder im Wald vernahm ich plötzlich ein sehr lautes und starkes Rauschen. Wo kommt denn der Sturm auf einmal her, schoss es mir durch den Kopf. Da tauchte eine graue Wolke auf und ließ sich in kurzer Entfernung von mir in einem Buchengestrüpp nieder. Es waren hunderte, vielleicht auch tausende Bergfinken. Sie waren auf der Durchreise nach Süden und hatten zufällig vor meinen Augen Rast gemacht. Dieses Schauspiel war einmalig. Das Gezwitscher aus den vielen Kehlen dauerte noch eine ganze Weile, bis sie zur Ruhe kamen, denn es dämmerte schon. Auf großem Umweg schlich ich nach Hause.

Neulich bemerkte ich am Waldboden, dass sich im Gras etwas Graues bewegt. Ich dachte an eine Maus. Doch als das Tier auf einen Busch hüpfte, sah ich, es war ein Zaunkönig. Ja, die kleinen Vögel des Waldes nimmt man oft nicht wahr. Aber sie sind da. Der Wald ist ihr Lebensraum und wir Menschen haben nicht das Recht, ihn zu vernichten. Hört auf mit der Umweltverschmutzung! Sonst stirbt der Wald und wir sterben mit ihm.

R. Zengerling
(Quelle: „Obereichsfeld-Bote“, Nr. 51/1992)