Bischofsteiner Erinnerungen: Der Brand im Dorf (1921)

Eines Nachts wachte ich plötzlich auf, weil es auf einmal so hell im Schlafsaal wurde. Ich ging ans Fenster und sah das ganze Tal mit dem Dorf im hellen Scheine eines brennenden Hauses, dessen Flammen ziemlich hoch schlugen. Mittlerweile waren auch andere in den Nachbarschlafsälen wach geworden und diskutierten lebhaft über den Brand. Gegen Morgen jedoch hörte es auf zu brennen und wir legten uns wieder hin.

Am Tage wurde natürlich viel darüber gesprochen und bald erfuhren wir, dass das Unglück durch Brandstiftung entstanden wäre. Wenige Tage später ließ uns der Ruf eines Jungen, der gerade am Fenster stand: „Im Dorf brennt es wieder!“ an die Fenster eilen, um hinauszuschauen. Die Flammen waren schon so hoch, dass wir sie hinter dem Viadukt hervorlodern sahen.

Die Obersekundaner wurden sofort ins Dorf geschickt, um Hilfe zu leisten. Kaum hatte die zweite Stunde für uns begonnen, als Frau Doktor in die Klasse kam und uns sagte, wir sollten so schnell wie möglich ins Dorf eilen.

Im Dorfe war ein reges Treiben. Vier Pumpen waren aufgestellt und spritzten reichlich Wasser aus der stark angeschwollenen Frieda in den Brandherd. Über viele Schläuche und Schaufeln rannten wir zu den Pumpen, an denen immer gleichzeitig sechzehn Mann pumpen konnten. So schafften wir den Leuten Ablösung.

Auf dem Dache des benachbarten Hauses stand Dr. Pöppelmann mit einigen „erfahrenen“ Feuerwehrmännern, denn die andern verstanden nicht viel vom Geschäft und standen meistenteils nur herum und schimpften auf die andern. Herr Dr. Pöppelmann schien die ganze Sache in den Händen zu haben, denn seinen Anordnungen folgten die meisten. Er spritzte immer in den großen Brandherd und sah auch sonst überall nach, wo es fehlte.

Ab und zu hörte man das Horn des Brandinspektors, das den Leuten angab, wo noch Wasser nötig war. Ein imposantes Bild boten die herabstürzenden brennenden Balken. Die Flammen schlugen am Anfang so hoch, dass das Blech am Geländer des großen Viadukts von der Hitze ganz verbogen wurde.

Nach dreistündigem Löschen war die Hauptgefahr beseitigt und wir gingen wieder nach oben. Uns Untersekundanern wird das Bild der Feuersbrunst ein gutes Anschauungsmittel für das Lied von der Glocke bleiben, da wir ja alle selbst miterlebt haben, wie „alles rennet, rettet, flüchtet“.

Auch dieses Feuer war durch Brandstiftung entstanden. Die Hausbesitzer hatten nämlich Wucherpreise für Lebensmittel verlangt und die Leute haben dann aus Verzweiflung zur Selbstjustiz gegriffen. Es brannten insgesamt mit dem ersten Brande 3 Wohnhäuser und eine Scheune ab.


H. Jorgulesco
(Quelle: „Bischofsteiner Chronik“, Mai-Ausgabe 1921)