Die Mundart prägt das Brauchtum - vor zehn Jahren starb Dr. Christoph Völker

Im lieblichen Eichsfelddörfchen Faulungen stand die Wiege eines Mannes, dem die Eichsfelder Dialektforschung unendlich viel verdankt. Christoph Völker erblickte am 31. Mai 1890 das Licht der Welt. Der begabte Knabe fühlte sich zu Höherem berufen und studierte Philosophie und Theologie in Paderborn und Breslau. Im August 1914 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. Zwölf Jahre wirkte er als Vikar in Vörden (Kreis Höxter) und beschäftigte sich bereits damals viel mit rechtshistorischen Studien. Seine außerordentlichen Fähigkeiten auf dem Gebiete der Geschichtsforschung wurden bald von höherer Stelle erkannt. So berief ihn der Paderborner Bischof 1926 als Archivsekretär in das Generalvikariat nach Paderborn. An der Universität Tübingen promovierte er 1934 zum Dr. theol., 1936 wurde er zum Offizialatsrat ernannt und im Jahre 1939 in das Metropolitankapitel berufen. Seiner rastlosen Tätigkeit machte der Tod ein jähes Ende; er starb am 24. März 1945 infolge eines Schädelbruches den er bei einem Fliegerangriff erlitt.

Christoph Völker war mit hohen Geistesgaben ausgestattet, die ihn besonders auf geschichtlichem und kirchenrechtlichem Gebiet auszeichneten. In vielen Schriftsätzen verteidigt er die Kirchenrechte furchtlos gegenüber den Anfeindungen des Nationalsozialismus. Dabei blieb er als Gelehrter doch immer ein bescheidener Mensch, der seiner eichsfeldischen Heimat in Treue zugetan war. Durchs ganze Leben begleitete ihn eine warme Heimatliebe, und sein Wirken für die heimatliche Sippenforschung machte ihn bald weithin bekannt. Mit Vorliebe betrieb er die Erforschung der eichsfeldischen Mundart. Bald waren zahlreiche Dialektdichtungen von ihm unter dem Pseudonym „Heinrich Triebetröst“ in den Eichsfelder Heimatzeitungen zu lesen. Aber auch längeren geschichtlichen und sprachwissenschaftlichen Abhandlungen in der Heimatpresse widmete er seine Zeit. Nur mit Ehrfurcht kann man eine seiner Hauptarbeiten „Von der Mundart des südlichen Eichsfeldes“ lesen. „Die Mundart prägt das Volkstum, auch das landschaftliche. Die eichsfeldischen Dialektschriftsteller müssen lernen, ernste Stoffe zu gestalten und ihre Dichtungen in das Gewand einer quellfrischen, lebensechten, ihren ganzen Reichtum offenbarenden Mundart zu kleiden. Der Dialekt ist ein Stück Heimat, ebenso sehr und fast noch mehr als die Berge und Wälder, die unser Heimatdorf umstehen, als der Kirchturm, der es überragt, als der Bach, der es durchplätschert, als die Menschen, die dort mit uns aufgewachsen sind, als die Häuser, in denen sie wohnen. Im Dialekt spiegelt sich die hausbackene Lebenserfahrung wider.“ So schreibt Christoph Völker über seine Muttersprache. Recht oft zog es ihn aus der Fremde in sein stilles Faulungen und dort, im Schatten der Heimatberge und des „Faulunger Steins“, entstanden seine oft von derbem Eichsfelder Humor durchwürzten Dorfdichtungen. Wie ein roter Faden zieht sich durch seine hinterlassenen Aufzeichnungen das Bekenntnis zu dem einfachen Menschenschlag seiner Faulunger Heimat. Dr. Konrad Hentrich fand mit seinen sprachkundlichen Forschungsarbeiten in Dr. Christoph Völker einen treuen Gefolgsmann. Aus einer Stelle seiner Abhandlung kommt sein sehnlichster Wunsch deutlich zum Ausdruck:

„Was der eichsfeldischen Mundart dringend zu wünschen wäre, ist die Schaffung einer hochstehenden mundartlichen Literatur, die auf dem Eichsfelde nicht weniger gelesen würde wie in Westfalen etwa die Bücher von Augustin Wibbelt und Karl Wagenfeld oder in Niedersachsen die von Fritz Reuter oder Klaus Groth.“

Was die Dichtungen Dr. Volkers aber noch ganz besonders wertvoll macht, sind die darin zum Ausdruck kommenden heimatlichen Eigenarten, wie Namendeutungen, Wetterregeln, Redensarten, Spitznamen. Getreulich ist er ihren Spuren nachgegangen und hat davon gesammelt, was es nur zu sammeln gab. Auch die herrliche Umgebung seiner Talheimat hatte es ihm angetan. Mit welcher Liebe schrieb er doch auch vom sagenumwobenen Kloster Zella und der Klosterschranne! Von letzterer ist uns noch seine Eichsfelder Volkssage in örtlichem Dialekt „De Nunnenschleeren anr Klosterschran“ erhalten.

Dabei war Dr. Völker ein Priester nach dem Herzen Gottes. Sein klares Urteil, sein unermüdlicher Eifer um das Heil der ihm anvertrauten Gläubigen, seine stete Hilfsbereitschaft machten ihn zu einem hochgeschätzten Mitarbeiter in der Verwaltung der Erzdiözese. Zusammen mit dem am 22. März 1945 gefallenen Domkapitular Ferdinand Gabriel teilt er eine gemeinsame Ruhestätte fern der Heimat. Auf dem Grabmal sind die schlichten Worte zu lesen:

„Im Tod vereint. Als Opfer einer Luftmine gefallen.“

Seine Eichsfelder Heimat gedenkt an seinem zehnten Todestage in Dankbarkeit ihres Dialektdichters Christoph Völker.

Vinzenz Hoppe
(Quelle: „Eichsfelder Heimatborn“, Ausgabe vom 19.03.1955)