Der Sturm auf Kloster Zella im Jahre 1848 - Zur Geschichte des tollen Jahres auf dem Eichsfelde (Auszug)

Der nachfolgende Textauszug beschränkt sich auf die Beschreibung des Kloster Zella im Revolutionsjahr 1848

„[…] Danach ging der Plan von Struth aus, von wo „die Stimme des Aufruhrs auch in die anderen Dörfer des Südeichsfeldes gedrungen war und in aller Herzen ein Echo gefunden hatte.“

Ein großer Haufe bewegte sich nach dem Kloster. Der Gutsherr hatte mit seiner Familie das Weite gesucht, der Förster suchte sein Heil auf dem Heuschober, wo er sich versteckte. Das Tor wurde, da sich niemand zeigte, eingeschlagen, aus den Ställen das Vieh herausgelassen und geschlagen. Vom Hofe ging es zu den Wohnungen und Vorratsräumen. Man drang in alle Räume ein und zertrümmerte oder stahl, was man fand. „Die Würste und Speckseiten wurden buchstäblich zum Fenster hinausgeworfen. Die Untenstehenden fingen die Sachen auf und – warfen sich mit Bratwürsten. Den meisten Profit aus dem Aufruhre hatten die Faulunger. Von altersher kennt man sie auf dem Eichsfelde als die Einfältigen.

Damals aber bewiesen sie, daß sie nicht so dumm waren, wie man bisher gemeint hatte. Sie sammelten, soviel sie konnten, die herausgeworfenen Würste und Speckseiten und schleppten sie nach Hause. Es sollen so viel Würste gewesen sein, daß sie sechs Wochen davon zu leben hatten. Die herausgeworfenen Mustöpfe (soweit sie ganz blieben) wurden von den Effelderschen nach Hause getragen. Sie interessierten die Faulunger nicht so sehr, weil sie von der Sorte zu Hause genug hatten.

Was die Lengenfelder nach Hause getragen haben, weiß man nicht. Wahrscheinlich haben sie es nicht in alle Welt hinausposaunt. Als alles im schönsten Trubel drin war, erscholl plötzlich der Ruf: „Die blauen Jungens kommen.“ Ein treuer Bürger von Struth war im Auftrage des Ortsvorstehers nach Langensalza geritten und hatte Hilfe erbeten. Kaum hatten sich die Soldaten sehen lassen, als auch schon der Haufen auseinanderstob. Aber keiner hatte es eiliger als die Anführer der Rotten. Der Struther wurde durch Verrat gefangen genommen. Der aber von Effelder entkam und hielt sich drei Wochen im „Walperbühl“ auf und bekam täglich von seiner Schwester Speise gebracht. Doch bald fühlte er sich nicht mehr sicher. Man war ihm auf die Spur gekommen; deshalb soll er sich nach Amerika aufgemacht haben. Als ein Glück können wir es bezeichnen, daß das Militär einschritt. Sonst wäre das schöne Gut eingeäschert worden.“

Der Besitzer Lutteroth gab am 1. Mai den Schaden bekannt, den er „nach einer mäßigen Abschätzung“ gehabt hatte, „wobei jedoch die Vernichtung sämtlicher Urkunden und sonstigen Akten als teilweise unersetzbar nicht berechnet ist“:

1. Demolierung an Gebäuden und Fenstern, Türen, Öfen usw.= 1234 Tlr., 4. Sgr.

2. Herrschaftl. Inventarium an Silber, Möbeln, Betten usw.= 4003 Tlr., 4 Sgr.

3. Wirtschafl. Inventarium= 2063 Tlr., 15 Sgr.

4. Viktualien, Vorräte und Früchte= 663 Tlr., 15 gr.

5. Andere Gegenstände, mindestens= 300 Tlr.

6. Verlust des Herrn Försters Dunkelberg an Möbeln, Betten, Büchern usw. ungefähr= 1000 Tlr.

7. Verlust des Herrn Administrators Achilles an Kleidungsstücken, Wäsche, Büchern= 176 Tlr.

8. Verlust der Haushälterin Fräulein Weise an Kleidungsstücken, Wäsche          

Gesamt= 9498 Tlr., 8 Sgr.

[…]


Klemens Löffler
(Quelle: Unser Eichsfeld, 4. Band, 1909 – 1910, S. 7 – 9)