Der Mordversuch an Förster Dunkelberg in Lengenfeld unterm Stein - Ergebnis der Gerichtsverhandlung aus der Tageszeitung „Eichsfeldia“ (1893)

Nordhausen, 20. Juni 1893

Schwurgericht. Zweiter Tag. Angeklagt des versuchten Mordes waren die Gebrüder Korbmacher Heinrich und Michael Gunkel aus Lengenfeld u. St., ersterer 42 Jahre alt und wegen Forstdiebstahls bestraft, letzterer 37 Jahre alt und zweimal wegen Diebstahls und Körperverletzung bestraft.

Auf dem Tische vor den Geschworenen lagen zwei scharf geschliffene Beile, Kleidungsstücke etc. als Beweisstücke. Ferner war eine schwarze Tafel mit einer Zeichnung der Dorflage von Lengenfeld und Umgebung, woselbst sich der Fall abgespielt hatte, aufgestellt.

Die Beweisaufnahme ergab folgendes: Der königliche Förster Dunkelberg aus Struth hatte die Bemerkung gemacht, daß in seinem Schutzbezirk Nachts öfter Holzdiebstähle, namentlich an Korbstäben, stattfanden, die vermutlich von den Angeklagten ausgeführt wurden. Der Förster Dunkelberg kam deshalb und noch wegen anderer Dienstgeschäfte am 27. März d. J. nachmittags gegen ½ 3 Uhr nach Lengenfeld und kehrte später im Gasthofe des J. Lorenz ein. Dort traf er Abends gegen 7 Uhr mit den Gebrüdern Gunkel zusammen, welche eben aus dem Walde kamen und Beile bei sich trugen, ließ sich mit ihnen in ein Gespräch ein und erhielt infolgedessen die Gewißheit, daß die Angeklagten früher Holzdiebstähle ausgeführt hatten, weshalb er denn auch mit Haussuchung drohte.

Dadurch wurde namentlich Heinrich Gunkel sehr aufgebracht und bemerkte, daß er den Förster zum Hause hinauswerfen wolle, wenn er ohne Beisein des Ortsschulzen versuchen sollte, bei ihm Haussuchung vorzunehmen. Darauf hielt ihm der Förster vor, daß er sehr wohl berechtigt sei, auch ohne den Schulzen Haussuchungen vorzunehmen.

In seiner Erregung, welche noch durch ein Vorkommniß mit seiner Ehefrau gesteigert war, äußerte Heinrich Gunkel zu der im Gasthause anwesenden Regina Mehler: „Ich habe mich heute so furchtbar geärgert, daß ich am ganzen Leibe zittere, was meinst du, wenn wir uns heute Abend vor das Dorf legten und ihm den Wanst voll hieben?“

Abends gegen 10 Uhr verließen die Gebrüder Gunkel das Gasthaus, und Heinrich Gunkel bot dem Förster noch gute Nacht. Heinrich Gunkel ging mit zu seinem Bruder Michael in dessen Wohnung und äußerte: „Heute Abend muß der Hund sterben!“ Dann holte Michael Gunkel nochmals Schnaps aus dem Gasthause, sah hierbei, daß sich der Förster zum Fortgehen anschickte, um noch eine Patrouille in sein Waldrevier zu machen.

Als nun der Förster am Ausgange des Dorfes angelangt war, sah er auf der Chaussee von Struth her zwei Männer auf sich zukommen, in denen er beim Zusammentreffen die Gebrüder Gunkel erkannte. Mit dem Ausrufe „Hund, jetzt mußt du sterben!“ sprang Heinrich Gunkel mit hocherhobenem Beile auf den Förster los und führte einen Hieb nach dem Kopfe desselben, welcher aber durch eine Wendung des Försters nur den Nacken hinter dem rechten Ohr traf, immerhin aber eine schwere Wunde verursachte, an welcher der Förster heute noch leidet.

Unmittelbar nach dem ersten von Heinrich Gunkel geführten Hiebe schlug auch Michael Gunkel den Förster mit dem stumpfen Theile des Beiles gegen den Kopf, und weiter führte Heinrich noch mehrere scharfe Hiebe aus, sodaß der Förster aus drei schweren Wunden am Kopfe blutete, ihm zwei Zähne eingeschlagen und die linke Hand schwer verletzt wurde. Der schwer Getroffene sank blutend nieder, konnte aber den Davoneilenden noch zurufen: „Gunkels! Was habt ihr jetzt gemacht?“

Der Förster schleppte sich bis zum nächsten Hause, sank dort ohnmächtig nieder und wurde von der Ehefrau Fick gefunden und mit Hülfe ihres Ehemannes in ihr Haus gebracht und sogleich ärztliche Hülfe herbeigeholt. Der Förster ist jetzt so weit wieder hergestellt, daß eine ernste Gefahr für Leben und Gesundheit nicht mehr vorhanden ist.

Das Gutachten des den Verwundeten behandelnden Arztes Dr. Scheefel aus Lengenfeld ging dahin, daß der von Heinrich Gunkel mit der Schärfe des Beiles zuerst ausgeführte Hieb den Tod des Försters zur Folge gehabt haben würde, wenn durch die Wendung des Försters nicht eine Ableitung zur Seite stattgefunden hätte. Aber auch die anderen Verwundungen seien ziemlich schwer gewesen.

Die Staatsanwaltschaft hielt die Schuld der Angeklagten für durchweg erwiesen und ersuchte die Geschworenen, die gestellten Schuldfragen zu bejahen.

Die Vertheidigung (Rechtsanwalt Slawyk) war bemüht, die Schuld ihrer Klienten abzuschwächen, indem die Angeklagten durch den Genuß von geistigen Getränken und das Zusammentreffen aufregender Vorkommniße gereizt gewesen seien, und bat die Geschworenen, das Schuldig nicht auf versuchten Mord, sondern nur auf Mißhandlung auszusprechen.

Die Geschworenen bejahten aber sämmtliche Schuldfragen, worauf der Gerichtshof den Heinrich Gunkel zu 7½ Jahren Zuchthaus und 8 Jahren Ehrverlust, den Michael Gunkel zu 6 Jahren Zuchthaus und 6 Jahren Ehrverlust verurtheilte.

Die Verurtheilten traten sofort ihre Strafe an.

(Quelle: „Eichsfeldia – Tageblatt für das Eichsfeld und die Katholiken in Thüringen und Sachsen“, Ausgabe vom 22.06.1893)