Munter springen die Wasser im Friedatal - Frühjahrswanderung durch das südeichsfeldische Quellgebiet (1960)

Jetzt, da der junge Frühling die Quellen und Bäche draußen wieder munterer und lebendiger rinnen lässt, lohnt es sich, ihrem Rhythmus zu lauschen. Auch in dem herrlichen Waldtal um Kloster Zella herum sind einige Quellen, die zum Teil bereits geschichtliche Bedeutung erlangt haben. Hören wir doch einmal, wie es aus ihrer Vergangenheit rinnt und rauscht.

Die Friedaquelle

Sie entspringt in unmittelbarer Nähe des allehrwürdigen Klosters und nimmt ihren emsigen Lauf am Waldrand entlang mit der Lengenfelder Landstraße der „Schwarzen Brücke“ und dem idyllischen Lengenfeld und Stein entgegen. Hin und wieder nimmt die nun schon zum Bach gewordene Quelle ihren Lauf über einige Fischtreppen. Forellen tanzen lustig hinterdrein. Zur Zeit des Fries‘schen Klosterbesitzers war der Fischreichtum der Quelle und der umliegenden Teiche recht beträchtlich. Nach dieser Quelle führte auch das ehemalige Benediktinerinnenkloster Zelle - eines der ältesten Frauenklöster des Eichsfeldes überhaupt - seinen ursprünglichen Namen „Friedespring“. Fürwahr, in dieser Weltabgeschiedenheit ist ein tiefer Friede. Aber auch er wurde jäh unterbrochen, wenn wir an die geschichtliche Vergangenheit dieser Stätte denken. Der Dreißigjährige Krieg, der Siebenjährige und der furchtbare Zusammenbruch 1945 brachten Zella Schrecken und Verderben. Unbeirrbar nahm indessen die Frieda ihren Lauf. Sie wurde sogar in ihrer Geschichte des Öfteren zum Retter in höchster Wasserarmut für die Höhengemeinde Struth. Eine besondere Notlage ergab sich für Struth aus seiner Höhenlage und seinen besonderen geologischen Verhältnissen. Ganz empfindlich war hier früher der Wassermangel. Während man sich in trockenen Sommern mit dem Steinbruchwasser bei Eigenrieden aushalf, musste man wegen Trinkwassers seine Zuflucht zu den Quellen im Zellagrund nehmen. Die Steinbrüche lieferten nur ein minderwertiges Wasser für das Vieh. Am reichsten floß von allen die Friedaquelle, die aber -der Besitzer des Klostergutes zum Betrieb seiner Wasserleitung selber am meisten benötigte. Auch diese Wasserversorgung war für Struth mangelhaft und mit großen Umständen verbunden. Man denke nur an den zwei Kilometer langen und sehr steilen Weg den man zurücklegen musste. Bekanntlich kommen die festen Niederschläge des Winters den Quellen nicht zugute. Trotz allem sah man gerade im Winter Tag und Nacht lange Ketten von Wagen- oder Schlittenzügen, die von der Struther Höhe hinab zur Friedaquelle zogen. Oft musste bis mitten in die Nacht gewartet werden in der eisigen Kälte, bis man Zugang zur Quelle hatte. Es kam dann nicht selten vor, dass dann nur noch Laub und Steine geschöpft wurden und man warten musste, bis sich die Quelle wieder erholt hatte. Dann ging es mühsam die steile Höhe wieder hinan und meistens mit nassen und vom Frost steifgefrorenen Kleidern. So mancher hat sich dabei den Keim zu einem frühen Tode zugezogen. So hat unsere Friedaquelle bereits ein sehr leidvolles Kapital Struther Geschichte gesehen.

Der Ehrenborn

Noch bevor der Wandersmann die Klosterstraße betritt, gewahrt er etwa 100 Schritt linkerhand am Waldhang eine ausgemauerte Quelle, den „Ehrenborn“. Hier sammeln sich Bergwasser der bewaldeten Buchenhöhen, und hier beginnt auch - kommt man aus der Richtung des Klosters- der steile Bergaufstieg. Auch er wurde zum Nothelfer in der wasserarmen Zeit. Der Struther Ortschronist jener Zeit berichtet: „Es bekommt jeder Haushalt alle sieben Tage 20 Liter, sage und schreibe pro Tag nicht volle drei Liter Trinkwasser.“ Was blieb dann weiter übrig, als mit dem Wassertragejoch zum Ehrenborn zu ziehen. Oft kam es bei der Jugend vor, dass oben auf der Höhe die Wassereimer auskippten, und der mühevolle Weg musste ein zweites Mal gemacht werden. Kinder von 8 bis 10 Jahren mussten damit in den Grund gehen und Wasser aus dem Ehrenborn schöpfen. „Mag uns der Himmel vor Feuersbrunst behüten“, so klagte damals der Chronist. Wenn die Talgemeinden wenigstens ihr Fließwasser hatten, so war auf dem Struther Hochplateau nirgendwo ein Wasserrinnsal zu entdecken. Die wenigen Zisternen waren schon längst vertrocknet. So hatte man notfalls auch aus dem Ehrenborn Wasser, wenn auch ein nicht so gutes wie das aus der Friedaquelle. Neben dem Ehrenborn durchzog die Lengenfelder Landstraße früher eine der in die Straße eingegrabenen Rillen – „Ruibesteden“ (Ruhestätten), die von den Fuhrwerken auf der steilen Straße zum Ausruhen benutzt worden sind. Heute sind auch sie verschwunden. Der Ehrenborn lieferte bei solchen Gelegenheiten auch Tränkwasser für das liebe Vieh.

Das Goldbörnchen

Etwa in der Hälfte der Strecke zwischen Eingang Klosterstraße und der „Schwarzen Brücke“ plätschert vom waldigen Bergeshang der linken Seite (aus Richtung Struth kommend) ein kristallklarer Bergquell herab. Es ist das beliebte „Goldbörnchen“ wohl wegen seines goldklaren Wassers so benannt. Gerade diese Quelle ist eng mit der Geschichte von Struth und des gegenüberliegenden Klosters verknüpft. Hier rasteten im schwülen Sommer schon unsere Vorfahren der frühesten Generationen, um aus der hohlen Hand das erfrischende Nass zu genießen. Man weiß es auch heute noch nicht anders, als dass unsere Hülfensbergwallfahrer sich am „Goldbörnchen“ heimwärts sammeln und zuvor stärken, ehe sie in Prozession wieder die steile Höhe hinanziehen. In einem engen Kanal fließt die Quelle unter der Landstraße hinweg und durch die Wiese hinüber in die Frieda.

Das Buchbörnchen

Diese Quelle entspringt abseits der Straße am Rande des Unterholzes unter dem Felsmassiv der „Klosterschranne“. In ihr sammeln sich wohl die Abwässer aus der Muschelkalkformation des Schrannenfelsens. Bekanntlich ist die Muchelkalkschicht besonders porös, und in ihr versickern sofort die Niederschläge. Im Erdinneren sammeln sie sich in einer Hohlkehle und treten dann an passender Stelle wieder als Quellen an das Tageslicht. Auch das „Buchbörnchen“ fließt hinüber zur Frieda, und mit ihr fließen dann schließlich alle Waldquellen vereint der Werra entgegen. –

Außer zu einem kühlen Trunk stört heute keiner mehr diese Quellen des Friedatales durch größere Wasserentnahme. Seit dem Jahre 1911 ist auch auf der Struther Höhe die Wassernot behoben durch Anschluss an den obereichsfeldischen Wasserleitungverband. Wenn auch durch die lange Trockenheit des letzten Sommers die Waldquellen fast ganz versiegt waren, so rinnen sie doch jetzt wieder unentwegt dahin und künden von neuem Leben, welches ewig jung dem Schoß der Mutter Erde quillt!

Vinzenz Hoppe
(Quelle: „Eichsfelder Heimatborn“, Ausgabe vom 09.04.1960)