Zur Vogelwelt des oberen Friedatales

Nach rund fünf Jahrzehnten vogelkundlicher Beobachtungen ist es angebracht, über die Ergebnisse dieser Tätigkeit zu berichten und festgestellte Bestandsänderungen aufzuzeigen.

Das kontrollierte Gebiet umfasst das Friedatal ab Geismar bachaufwärts einschließlich der Seitentäler und der angrenzenden Hochflächen. Leider gibt es zu diesem Thema keine Aufzeichnungen aus früheren Zeiten, die uns Vergleiche mit den heutigen Verhältnissen ermöglichten.

Durch den hohen und reich gegliederten Waldanteil, zahlreichen Hecken und Bäumen in der Feldflur sind die Lebensbedingungen für eine artenreiche Vogelwelt günstig. So sind rund 80 Arten als ständige Brutvögel anzusehen, davon sind einige nur mit einem oder wenigen Paaren vertreten, weil sie entsprechend ihrer Lebensweise ein großes Revier beanspruchen oder ihre Ansprüche an den Lebensraum nur an wenigen Stellen erfüllt werden. Das Fehlen größerer Gewässer und Feuchtgebiete hat zur Folge, dass nur wenige Bewohner dieser Lebensräume als Brutvögel, Durchzügler und Gäste hier Vorkommen. Als ehemalige oder nur einige Male festgestellte Brutvögel sind etwa 12 Arten bekannt. Die Gründe für ihr Verschwinden oder ihren nur begrenzten Aufenthalt bei uns sind nicht immer ersichtlich, jedoch ist meistens menschliches Tun als Ursache anzunehmen.

Durchzügler und Gäste konnten im Beobachtungszeitraum in rund 40 Arten festgestellt werden. Dabei sind viele von ihnen regelmäßig als Herbst- und Frühjahrsdurchzügler oder als Wintergäste mit unterschiedlicher Verweildauer anzutreffen.

Vom Vogelzug im Herbst und Frühjahr ist der Durchzug zahlreicher Kraniche das auffälligste Ereignis, während andere Arten weniger auffällig – teilweise auch in der Nacht – unser Gebiet überfliegen.

Erwähnt sei auch, dass während des Sommers einige Vögel aus Brutgebieten außerhalb des hier genannten Gebietes bei uns zur Nahrungssuche erscheinen, zum Beispiel: Schwarzstorch, Graureiher, Wespenbussard sowie Wander- und Baumfalke. Bei den Brutvögeln und Sommergästen sind mehrere, die im Laufe der letzten Jahrzehnte erstmals hier brüteten oder nach langem Fehlen wieder auftraten. So siedelte sich 1986 nach rund 100 Jahren der Kolkrabe wieder an, und 1990 folgte der Uhu, seitdem sind auch Wanderfalke und Schwarzstorch wieder zu beobachten. Diese genannten Arten waren zum Teil durch Verfolgung (Kolkrabe und Uhu) oder durch die Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft (z. B. Wanderfalke und andere Greifvögel als Endglieder der Nahrungskette) in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes sehr zurückgegangen oder gar ausgestorben. Durch Schutzmaßnahmen, Einschränkung des Chemikalieneinsatzes in der Landwirtschaft und durch Aussetzen von in Gefangenschaft gezüchteten Vögeln (besonders Uhu und Wanderfalke) konnten sich wieder stabile Bestände entwickeln. Einige Arten besiedelten unser Gebiet, weil sie ihr Siedlungsgebiet erweiterten oder im Laufe der Zeit günstige Lebensräume für sie entstanden, das sind zum Beispiel Türkentaube, Wacholderdrossel, Schwarzstorch und andere.

Auffallend ist, dass in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten mehrere früher recht häufige Vögel selten geworden oder ganz bei uns verschwunden sind. Von diesem Rückgang sind hauptsächlich solche betroffen, die den Winter in südlicheren Breiten verbringen und wahrscheinlich auf dem Zug und im Überwinterungsgebiet hohe Verluste durch Verfolgung oder ungünstige Lebensbedingungen erleiden. Das gilt für den Gartenrotschwanz, die Fliegenschnäpper, den Wendehals, den Gartenspötter und mehrere Kleinvögel, die im Mittelmeergebiet oder in Afrika überwintern.

Vögel, die als Brutplätze Schlupfwinkel und geschützte Stellen an Gebäuden benötigen, leiden unter Nistplatzmangel, da Neubauten und renovierte Altbauten derartige Plätze nicht mehr aufweisen oder weil sie aus Furcht vor Lärm und Schmutz nicht mehr geduldet werden. Die hiervon betroffenen Arten sind Haussperling, Hausrotschwanz, Bachstelzen, Stare und die zwei bei uns vorkommenden Schwalbenarten.

In der Feldflur sind Vögel, die früher in einer durch kleine Flächen ohne Einsatz von Chemikalien geprägten Landwirtschaft zahlreich vorkamen, heute durch die Bewirtschaftung großer Feldflächen und der Intensivierung in der Landwirtschaft selten geworden oder bereits verschwunden sind, das sind Feldlerche, Rebhuhn, Wachtel, Grauammer und Wachtelkönig. Trotz der noch zahlreich in unserer Flur vorhandenen Hecken mangelt es auch den in Gebüschen in der offenen Landschaft brütenden Arten an geeigneten Nistplätzen, weil die Hecken seit Jahrzehnten nicht zurückgeschnitten wurden, dadurch zu locker sind und nicht mehr die nötige Deckung zur Nestanlage bieten. Ein weiterer Nachteil ist die Einbeziehung vieler Hecken und Waldränder in Weideflächen, hier kommt es zu ständigen Störungen der Vogelbruten durch weidendes Vieh. Schließlich seien noch die Höhlenbrüter erwähnt, die in Gärten und auch im Wald kaum noch Nisthöhlen finden, weil alte und hohle Bäume recht selten sind. Besonders in Gärten kann durch das Anbringen von Nistkästen eine Besserung erreicht werden.

Um den bei uns noch vorhandenen Brutvogelbestand zu erhalten, wäre eine Landschaftspflege mit Heckenschnitt, Anpflanzungen und Pflege von Ödlandschaften auf nicht bewirtschafteten oder ertragsarmen Standorten zu wünschen.

Solche Maßnahmen kämen neben den Vögeln auch dem Wild sowie zahlreichen Pflanzenarten zugute.

Arthur Mähler
(Quelle: „Lengenfelder Echo“, Februar-Ausgabe 2001, S. 3)