Gedanken nach 50 Jahren zum Ende des II. Weltkrieges

Immer näher rücken die Wochen und Tage, als vor 50 Jahren der unselige II. Weltkrieg – den Hitler mit seinen Schergen vom Zaun gebrochen – durch die bedingungslose Kapitulation zu Ende ging. Heute weiß man, dass dieser furchtbare Krieg 50 Millionen Menschen vieler Nationen das Leben kostete.

Im Februar 1945 war ich knapp 16-jährig, drei Brüder von mir noch an der Front oder in Kriegsgefangenschaft, einer bereits 1942 in Russland schon gefallen. So entsinne ich mich gerade an die letzten Wochen vor dem Ende, als Dresden, Magdeburg, Kassel und andere Städte furchtbare Bombenangriffe mit vielen Menschenopfern erlebten. Menschen aus dem Osten waren mit Trecks, mit Pferd und Wagen, zu Fuß unterwegs, auf der Flucht vor den herannahenden sowjetischen Truppen. Auch wurden zu dieser Zeit durch die Führung des Dritten Reiches viele Menschen aus der Zivilbevölkerung vor Standgerichte gestellt und erschossen. Menschen, die schon wie viele andere lange erkannt hatten, dass der noch sinnlos währende Krjeg ein schreckliches Ende nehmen würde.

Die Niederlage des Nationalsozialismus wurde in diesen Februartagen 1945 jeden Tag deutlicher. Von Osten und Westen rückten die alliierten Truppen täglich näher heran und hatten schon deutsches Reichsgebiet überschritten. In Presse und Rundfunk wurden Durchhalteparolen vom Reichspropagandaminister Dr. Goebbels verbreitet.

Den Müttern wurden ganz schlimme Empfehlungen gegeben, was sie mit ihren Kindern beim Einrücken des „Feindes” machen sollten. Alle männlichen Wehrpflichtigen des Geburtsjahrganges 1929 mussten sich für den Wehrdienst stellen und melden. Auch ich wurde 15-jährig noch gemustert und als kriegsverwendungsfähig (kv) befunden. Wir 15-Jährigen sollten die Kriegswende und den immer noch uns vorgegaukelten Endsieg herbeiführen. Hitler und Goebbels faselten immer noch von der Geheimwaffe – der Wunderwaffe, die noch zum Einsatz kommen sollte.

Im Februar 1945 mussten sich 200 Jungen meines Alters im Jugendheim Mühlhausen zur 8-tägigen Wehrausbildung an Panzerfaust, Karabiner und Pistolen stellen. Man zwang uns Kinder mit Milchgesichtern, uns freiwillig für den Wehrdienst zu melden, und man heftete uns als Zeichen für unsere (erzwungene) Bereitschaft, ein rotes Bändchen ins Knopfloch. Nach einer Woche Ausbildung entließ man uns mit der Parole und dem Kampfauftrag, nun das Rüstzeug zu besitzen, um den Feind aus Deutschland vertreiben zu können und den glorreichen Endsieg zu erringen. Als ich zu Hause meiner Mutter davon erzählte, fing sie an zu weinen. Denn nun müsste ich als 5. Sohn – als Kind – auch noch in den Krieg ziehen. Liebe Mütter von heute, stellen Sie sich vor, ihr 15-jähriger Sohn (8. Klasse) müsste morgen in den Krieg! Andererseits mussten sich 60-jährige Großväter noch zum Volkssturm melden, um Panzersperren zu bauen und mit der Panzerfaust den Feind aufzuhalten.

Doch die Entwicklung des Kriegsgeschehens überschlug sich, und es ging dann zum Ende alles noch schneller, als mancher gedacht hatte. Die Kriegsmaschinerie der Alliierten rollte von beiden Seiten in einer Übermacht heran, sodass wir Ostern 1945 Kanonendonner, Bombenabwürfe, Luftgefechte, zurückziehende zersprengte Wehrmachtseinheiten hören und sehen konnten.

Am Nachmittag des 4. April – es müsste am Dienstag nach Ostern gewesen sein – rollten amerikanische Panzereinheiten von Wanfried über Hildebrandshausen kommend, hier in Lengenfeld ein. Trotz des Leides, was viele Menschen durch den Krieg erfahren hatten, atmete man erst einmal auf. Man war froh und glücklich darüber, dass nun das Schießen und Töten ein Ende hatte. Mein Heimatdorf Struth hatte jedoch in diesen letzten Kriegstagen noch einen schweren Schicksalsschlag zu ertragen.

Doch darüber möchte ich in den nächsten Wochen einmal gesondert berichten. Und die Schreckensbilanz dieses furchtbaren II. Weltkrieges für unser Dorf Lengenfeld unterm Stein: 127 Männer, Väter, Söhne, Brüder, Enkel mussten ihr junges, hoffnungsvolles Leben in einem von Fanatikern angezettelten Krieg lassen. Wie viel Leid kam in die Familien, wie viele Tränen wurden von Frauen, Müttern, Vätern, Schwestern, Brüdern, Bräuten und sonstigen Verwandten und Freunden für diese ihre Lieben vergossen. Wie viele liebe Menschen waren noch vermisst, wie viele in Kriegsgefangenschaft geraten und kamen erst nach Jahren zu ihren Familien in die Heimat zurück.

So denke ich gerade in den letzten Wochen viel über die Kriegsgeschehnisse vor 50 Jahren nach, zumal in den Medien gerade auch jetzt viel aus dieser Zeit berichtet wird. Viele Menschen - der für mich Mutter- oder Vatergeneration, die heute 70-jährig, 80-jährig oder gar älter sind, die von diesem Leid oft hart betroffen waren, machen sich auch ihre Gedanken über diese nun 50-jährige Vergangenheit. Ein großer Teil dieser betroffenen Angehörigen weilt schon gar nicht mehr unter uns.

Ja, und was besonders schlimm war, zu DDR-Zeiten durfte man dieser Menschen – die ihr Leben ließen – öffentlich keinesfalls ehrend oder gar mahnend gedenken. Sie wurden auf die gleiche Stufe gestellt wie die Nazikriegsverbrecher, die den Weltkrieg angezettelt hatten. Und das war äußerst bitter und schmerzvoll für die Angehörigen.

Aber auch die verstehe ich heute nicht, die den Nationalsozialismus und den II. Weltkrieg vor unserer Jugend glorifizieren. Ja, diese Naziverbrecher noch als Vorbild und Idol darstellen und anpreisen. 50 Millionen Tote sprechen doch eine andere und klare Sprache und sollten uns eigentlich allen Mahnung sein!

So ist aber auch der 40 Jahre DDR-Vergangenheit die Tatsache geschuldet, dass unser Kriegerdenkmal für die Gefallenen des I. Weltkrieges so lange Jahre von Unkraut und Gestrüpp umwuchert so dahin driestete und es zufolgedessen kaum noch Beachtung fand. Ermutigend kann man daher nach der Wende feststellen, dass vonseiten unserer Gemeinde zumindest das Umfeld laufend pflegerisch behandelt wird. Auch hat es, auf der Anhöhe gelegen, durch die angepflanzten Birken und Sträucher einen landschaftlich relativ schönen Hintergrund. Das Denkmal selbst wäre einer Restauration mal würdig.

Von vielen älteren Menschen wurde in den letzten Monaten und Wochen der Wunsch und der Gedanke an mich herangetragen, das Denkmal selbst noch etwas würdiger zu restaurieren und zu gestalten. Man denkt dabei besonders an Gedenkplatten mit den Inschriften der 127 Menschenopfer des II. Weltkrieges.

Auch wäre es an Gedenktagen wie Allerseelen, Totensonntag und Volkstrauertag eine würdige Stätte, unserer lieben Toten zu gedenken, indem man Blumen oder Kränze niederlegt. Dass sich verschiedene Angehörige von Kriegsopfern vertrauensvoll an mich wandten, ehrt mich, und ich möchte unser Heimatblatt, den „Obereichsfeld-Boten”, nutzen, deren Gedanken in unserer Bevölkerung mal öffentlich zur Diskussion zu stellen. Vielleicht hat unser Gemeinderat auch schon Vorstellungen, wie man den 50. Jahrestag nach Beendigung des II. Weltkrieges würdig und gleichzeitig mahnend – auch betreffs der Zukunft des Denkmals – begehen will.

Ein Echo aus dem Rathaus zu hören, auf die Gedanken und Vorstellungen älterer Mitbürger, wäre sinnvoll und begrüßenswert. Unser Gesangverein „Cäcilia”, wäre sicher zu einer festlichen Umrahmung gerne bereit.

Ihr Willi Tasch
(Quelle: „Obereichsfeld-Bote“, 1995, Nr. 11, S. 7 – 8)