Das Schmuckkästchen des Südeichsfeldes (Kirche in Wilbich)

In der Nähe des Eichsfelder Nationalheiligtums, des Hülfensberges, liegt wie von Moselbergen eingerahmt das stille, friedliche Eichsfelder Dörfchen Wilbich. Hinter Bergeshäuptern und Talschluchten hat es sich bescheiden versteckt. Doch wie das Veilchen gesucht, so ist auch dieser stille Erdenwinkel seit Jahren das Ziel vieler Wanderer. Birgt er doch in seiner Mitte einen Demant, das weitbekannte, in den Jahren 1912/13 erbaute Gotteshaus, das allgemein als das Schmuckkästchen des Südeichsfeldes gilt. Zwar mögen die in den letzten Jahren erbauten Gotteshäuser an Ausmaßen es weit übertreffen – an innerer Schönheit sucht es seinesgleichen.

Der kunstvoll entworfene Plan, der in der äußeren Form die alte, niedergelegte Kirche uns in größeren und schöneren Harmonien zeigt, hat das eigenartige Gepräge des Dorfbildes gewahrt. Gerade der Ausbau des Turmes in Fachwerk hat schon manchen Besucher in seinen Bann gezogen. Das Seitenschiff wird von Kennern als eine glückliche Lösung der derzeitigen Platzfrage angesehen. Im Barockstil erbaut, ist es dem Kunstsinn des erbauenden Ortspfarrers zu danken, dass sämtliche Neuanschaffungen streng stilgerecht sind. Dadurch hat das Kirchlein einen besonderen Reiz erhalten, der immer wieder Scharen von Kunstfreunden anlockt. –

Ein Kleinod besonderer Art ist die ewige Lampe von Kunstschlosser Zschuppa aus Dobrilugk in der Lausitz. Sie ist nach eigenem Entwurf des Regierungsrates M. „ein köstliches Kunstwerk für Kenner“. Derselbe Zschuppa hat alle Türschlösser, Beschläge, selbst die Chorglocke in Handschmiedearbeit geliefert. –

Der Nebenaltar bietet als Sehenswürdigkeit unter der Mensa das Heilige Grab mit Korpus Christi. –

Der herrliche Kreuzweg von Bildhauer Stuflesser aus St. Ullrich zeigt in den einzelnen Stationen wahre Kunstwerke. Die Figuren in Lindenholz sind kulturgeschichtlich treu gegeben, und die eichene Umrahmung verleiht vornehme Gediegenheit. Beichtstuhl, Kommunionbank und Emporenbrüstung zeigen fein ausgestochene Holzarbeiten. Das neue Orgelwerk mit Spieltisch und goldstrotzendem Prospekt wirkt hervorragend.

Als Krönung des ganzen Innenschmuckes ist die herrliche Bemalung zu nennen. Kunstmaler Kromer aus München hat hier beste Arbeit geleistet. Verschwenderisch ist an Hochaltar und Kanzel und Orgel über zwanzig Geviertmeter echtes Blattgold verwendet. Bei strahlenden elektrischen Lampen ergießt sich der Goldschimmer wie ein Meer von Glanz durch den andachterweckenden Raum. Der Reichtum und die Kostbarkeit der Paramente an Festtagen machen das Kirchlein in des Wortes wahrster Bedeutung zu einem Schmuckkästchen, wie es selten in der Eichsfelder Runde zu schauen ist. –

An der äußeren Chorseite des Gotteshauses ist das Ehrenmal für die gefallenen Krieger der Gemeinde eingelassen. Nach dem Urteil von Kennern gehört es zu den wenigen Kriegerdenkmälern, die wirklich Seele atmen. Da ist Leben und Sinn in den toten Stein gehauen, da ist ein stiller Redner zur inneren Einkehr und Gebetssammlung. –

So ist das Wilbicher Kirchlein ein Demant für die Gemeinde, ein ehrendes, dauerndes Denkmal für den kunstsinnigen Erbauer, ein Zielpunkt für kunstverständige Musensöhne, ein beschauliches Plätzchen für gottliebende und gottsuchende Seelen.

Hermann Röhrig
(Quelle: „Pflüger – Thüringer Heimatblätter“, Mühlhausen: Urquell-Verlag, 1926, Heft 10, 3. Jahrgang)