Aus der Vor- und Frühgeschichte des oberen Friedatales

Geologisch hatte sich die Landschaft des oberen Friedatales mit seinen Bergen und Nebentälern vor etwa 10 000 Jahren schon gebildet. Das Diluvium, die verschiedenen Eiszeiten und deren wärmere Zwischenzeiten bildeten den Übergang zum geologischen Erdzeitalter der Gegenwart, dem Aluvium, was so viel wie „das Angeschwemmte“ heißt. In dieses „Frühaluvium“ fällt unsere Vorzeit. In diesen Zeiten haben ungeheure Wasserfluten das lose Verwitterungsgestein in Gestalt von Grant-Schotter und Geröll von unseren Bergen in die Talsohlen abgeschwemmt. Vor den teilweise noch undurchbrochenen, noch stehengebliebenen härteren Buntsandsteinriegeln hatten sich in der Talsohle, Talsperren gleich, tiefe ausgespülte Trichter und Teiche gebildet, in denen die Grant- und Schottermassen aus unseren Bergen abgesetzt wurden. Bei späteren abgeschwächten Wasserläufen bildeten sich durch weitere Einschwemmungen von Süßwasserkalkmergeln Erdreich und Geröll, morastige Sümpfe und Tümpel. Ein letzter Zeuge solcher morastiger Tümpel war der „Riesetümpel“ bei Lengenfeld, in dem nach Aussagen älterer Leute, die ihn für grundlos hielten, noch ganze Weidenbäume verschwanden, der aber vor etwa zehn Jahren von Herrn Witzel endgültig zugeschüttet und trocken gelegt worden ist.

Oberhalb Geismar, unterhalb der Luttermündung, hat sich als Beweis der derzeitigen sumpfigen Struktur des Friedatales eine „früh aluvische“ Torfschicht gebildet. Diese sumpfige Struktur des Friedatales hat sich bis in die geschichtliche Zeit (nach Zeitwende) erhalten, denn der Sprachenforscher Jellinghaus leitet den Ortsnamen Geismar von einem Sumpf oder Moor ab, aus dem Blasen aufstiegen.

Den besten Beweis für die sumpfhafte Struktur des oberen Friedatales in früherer Zeit lieferte uns ein Fund im Mitteldorf von Lengenfeld unterm Stein. Um 1890 stieß man beim Ausschachten eines Kellers des Hauses von Joh. Steinwachs in einer Tiefe von 2,5 m in der eingeschwemmten Grantschicht der Vorzeit auf die Geweihschaufel eines Elches, die dem Forstmuseum in Eberswalde übermittelt wurde. Elche sind Tiere der Sümpfe, die heute nur noch in den Sümpfen der UdSSR und in Masuren leben und dort staatlich gehegt werden. In derselben Schicht, nur ungefähr 80 m von der Fundstelle entfernt, fand man 1955 beim Ausschachten der Klärungsanlage des Bauernhauses in ungefähr derselben Tiefe zwei schon stark versteinerte Tierknochen, die bis jetzt leider wegen Zeitmangels vom Museum für Vor- und Frühgeschichte in Weimar noch nicht „bestimmt“ werden konnten.

Vor ungefähr 9000 Jahren waren bei einem mehr trocknen und wärmeren Klima unsere Bergrücken und -hänge nicht so bewaldet wie heute. Als Bäume wuchsen schon die Eiben – sie sind noch Überreste aus den feuchtwarmen Zwischeneiszeiten –, die im Verein mit den ebenfalls vom Süden her zu uns gekommenen niederen Pflanzen die derzeitige Steppenheide in unserer Landschaft bildeten. Nach dem darauffolgenden Kälterwerden des Klimas kamen noch Föhren hinzu. Die ersten Menschen, die später in der mittleren Steinzeit unsere Täler bewohnten, gebrauchten die jungen, zähen Eiben zu Schäften für ihre primitiven Steinwerkzeuge. Durch die Eiben erhielten die Iberge unserer Heimat ihren Namen wie auch der Ibengraben im Friedatal, wo noch Eiben vom Sämling bis zum erwachsenen Baum – diese aber durch Abschneiden und Abbrechen der Zweige leider arg verschandet – zu finden sind. (Jeder Leser dieses Artikels sollte aufklärend wirken, damit uns diese seltenen Bäume erhalten bleiben).

Vor etwa 6000 Jahren vor der Zeitrechnung wurde das Klima kälter und feuchter, und die an solches Klima gewöhnten Sträucher wie Haseln, Wacholder, Zitterpappeln breiteten sich immer mehr aus (Zeit der Tundren). Mit diesen Pflanzen zogen auch allmählich unsere heute noch vorhandenen Wildtierarten bei uns ein. Als es dann um 4000 vor der Zeitrechnung wieder wärmer wurde, kamen noch Linden, Buchen, Eichen, Kiefern und Fichten hinzu, und die Lebensmöglichkeit für Tiere und Menschen war geschaffen. So stoßen wir auch Ende der mittleren Steinzeit – etwa 3000 Jahre vor der Zeitrechnung – auf Spuren der ersten Menschen jener Zeit in unserem Tal. 1938 fand Albert Gries beim Pflügen am Hanstein bei Lengenfeld unterm Stein einen noch stumpf geschliffenen Steinkeil aus dieser Zeit. Wir können annehmen, dass die Menschen als Jäger, Fischer und Wildfrüchte sammelnd unsere Täler durchstreiften, ohne sesshaft zu sein. Sie wohnten noch in Wohngruben, die mit Holz, starkem Reisig, Moos und Erdreich als Schutz gegen Sturm und Regen abgedeckt waren. Dr. Chr. Völker, Faulungen, später Domarchivar in Paderborn, hat als Student einige solcher früheren Wohngruben am Sieboldsberg nachgewiesen, die heute durch das Überwachsen von Jungholz und Gestrüpp nur schwer auffindbar sein dürften.

Erst etwa um 2000 vor der Zeitrechnung sind Menschen in unser Tal eingewandert, die schon eine höhere Kulturstufe besaßen und für längere Zeit bei uns sesshaft geworden sind. Sie hatten bereits schön polierte verzierte und geschliffene Steinwerkzeuge und Jagdwaffen und kannten sicher schon die einfache Tuchweberei, trieben Ackerbau an unseren Berghängen und zähmten und züchteten Tiere. Ihre Töpfe formten und verzierten sie noch mit der Hand. Von ihnen stammen Steinwerkzeuge, die in unserer Flur gefunden wurden, so am Bätzelsberg ein fünf Zentimeter breiter Steinmeißel. Der Finder ist unbekannt (Götze, heute im Museum Halle). Im Blankental fanden 1936 die Gebrüder Andreas und Josef Fick ein durchlochtes und geschliffenes Steinbeil (jetzt im Heimatmuseum Heiligenstadt) und einen durchlochten, polierten Steinhammer (dieser befindet sich noch im Familienbesitz).

Leider können wir die Stammes- oder Volkszugehörigkeit dieser Menschen noch nicht klären, da bis jetzt keine Töpfe oder Scherben von ihnen bei uns gefunden worden sind. Die Vorgeschichtsforschung kann die Zugehörigkeit und Unterschiede der Völker jener Zeit am besten durch die Formen sowie an den Verzierungen und an der Brennart ihrer Töpfe erkennen und so auseinanderhalten. Sie unterscheidet Volksstämme als Rautöpfer, im Gegensatz zu den glatte und dünnwandige Töpferarbeiten herstellenden Menschen, an ihren Formen als Glockenbecherleute, und nach ihren Topfverzierungen unterscheidet sie Schnur- und Bandkeramiker.

Am Ende der jüngsten Steinzeit hatten sich bei uns, begünstigt durch das warme Klima, die Eichen so sehr ausgebreitet, dass man die Zeit auch die „Eichenzeit“ nennt.

Aus der deutschen Frühgeschichte wissen wir, dass sich um 1000 vor der Zeitrechnung vom Westen und Süden her der große Volksstamm der Kelten weit über Mitteldeutschland hinaus und somit auch in unserem Friedatal ausgebreitet hatte. Die Kelten gaben unserer Frieda den noch heute gesprochenen Namen, die Südspitze der Plesse nannten sie Kohn- oder Kuhnstein. Um 800 v. Z. hatten die Völker schon die Bronze erfunden und fertigten nun neben den alten Steinwerkzeugen bereits bronzene Waffen und besondere Schilde und Schmuck an. Aus dieser Zeit fand man in Geismar einen 14 cm langen Bronzedolch. Dieser befindet sich im Museum in Halle (Götze, S. 201).

Nach 400 vor der Zeitwende verschlechterte sich das Klima wieder und wurde feucht und kalt. Die Buchen wurden mehr, es begann die Buchenzeit und die Zeit der jüngeren Moore. Das Friedatal wurde wieder sumpfiger und morastiger. In der Flur Lengenfelds deuten auf diese Zeit noch die Flurnamen „schwarzer Dich“ und „schwarze Briken“ hin. Im Buchhorn bildete sich Letten oder Torfkohle. Der Name Faulungen (mundartig Füllungen) scheint von fauligen Wassern oder Sumpf herzukommen. Aus dieser Zeit stammen wohl auch die benannten Funde, die Elchschaufel und die zwei noch unbestimmten Tierknochen.

Mit dieser Zeit zusammen fällt auch der erste, sich immer mehr verstärkende und vier Jahrhunderte dauernde Druck, verbunden mit vielen Kämpfen der germanischen Stämme und Völker, auf die sesshaften Kelten.

Von Norden drückten die Cherusker, von Osten Sachsen, Angeln und Warnen, von Südosten die Donau aufwärts die Hermanduren mit den Chatten als Vorhut. Nach der endgültigen Verdrängung der Kelten um die Jahrtausendwende zu Beginn der Neuzeit bildeten die Hermanduren und Warnen das frühgermanische Königreich der Thüringe, in das unser Friedatal mit einbegriffen war. An die Thüringe erinnern noch der Name Döringsdorf und der alte Familienname Döring. Dieser ist aber auf dem ganzen Eichsfeld weit verbreitet.

Aus den Kämpfen der Germanen gegen die Kelten und denen nach der Zeitrechnung bis 531 der germanischen Völker gegeneinander und nicht zuletzt durch den drohenden Vordrang der Römer sind auch unsere frühgeschichtlichen Wallburgen entstanden. Unser Friedatal war durch fünf solcher Burgen gesichert, die auf besonders schwer zu erobernden Felsschrannen erbaut waren, die von der Natur selbst schon so zum Schutz geschaffen und von der Bergseite her durch einen oder mehrere Halsgräben abgeriegelt waren. Hier bargen die Bewohner in den Zeiten des Ansturms der Angreifer ihre Habe und verteidigten sich. (Vergl. „Die Wallburgeni des Eichsfeldes“ von Dr. Joh. Müller). Das Friedatal war nach Osten abgeschirmt durch die alte Burg bei Eigenrieden, durch die Spindelsburg bei Faulungen und die Sieboldsburg bei Lengenfeld unterm Stein, von Norden durch die feste Wallburg auf dem Burgberg bei Lengenfeld unterm Stein. Sie war von der östlichen Bergseite her mit zwei heute noch tiefen Wallgräben geschützt. Auf ihrer Stelle wurden dann später in der geschichtlichen Zeit um 1150 Burg oder Haus zum Stein gebaut. Nach Süden schützte die im Innenwinkel des rechtwinkligen Friedalaufes stehende Wallburg auf dem Stuffensberg (später Hülfensberg). Diese Wallburg ermöglichte die Sicht weithin über das Werratal, das westliche, nordöstliche und östliche Friedatal, und mancher Späher wird von hier aus Warnzeichen an die Talbewohner gegeben haben. Diese Burg hat wahrscheinlich schon den Kelten neben dem Schutz auch noch als Kulturstätte gedient wie dann den Germanen, was durch Sage und Geschichte allgemein bekannt ist.

Aus dieser Frühgermanenzeit weisen noch viele Flurnamen auf germanische Siedlungen hin, so die Sieboldsburg (von Siebold), das Hennrichstal (von Heinrich), der Hasenborn (von Asen = Götterborn), der Arpsborn (von Erpo), das Walperbühl (von Walpurgis), und an der Flurgrenze Geismar/Lengenfeld weist A. Höppner auf die Tibelsnasen und Tibelskutte (von Tiobald) und das Arnstell auf die Siedlung eines germanischen Harmen oder Herführers hin. Bemerkenswert auch die hier noch nach Anfang des 20. Jahrhunderts anzutreffende Sitte, nach der kein Friedataler Bauer am 2. Januar (dem Waldmännchenstag) in den Wald zu fahren wagte aus Angst, an Achsen, Rad und Deichsel, Leib und Leben von Mensch und Tier Schaden zu erleiden. Das Feld, besonders aber der Wald, war den Germanen heilig. Der Waldmännchenstag lag in der Reihe der zwölf heiligen Tage und Nächte unserer Vorfahren. Wer an diesem Tage die Ruhe in Feld und Wald störte, hatte die Rache der Waldgeister, Waldmännchen, Waldschrate, Gnomen, Wichtel und Zwerge zu fürchten.

531 besiegten die Franken mit ihren Verbündeten, Niedersachsen und Chatten, die Thüringer und lösten das Thüringer Königreich auf. Die Schlacht war bei Burgscheidungen.

Anmerkung: Es war für mich ein gewagtes Unternehmen, an Hand der bis jetzt nur wenigen bei uns gefundenen Bodenschätze diese leider nur dürftige Ur- und Frühgeschichte unseres Tales zusammenzustellen und sie meiner handgeschriebenen Chronik von Lengenfeld unterm Stein mit zu Grunde zu legen. Jedoch das Wissen und die Erkenntnis des erdgeschichtlichen Aufbaus unserer Täler, mit Anlehnung an die thüringische und besonders an die eichsfeldische Heimatgeschichte, gaben mir dazu den Mut. Wären alle die zufällig von manchen Bewohnern im Erdboden gefundenen vorgeschichtlichen Altertümer, wie Werkzeuge, besonders aber Töpfe, Urnen oder Scherben, besser beachtet oder nicht gar aus falscher Wertschätzung zurückbebalten, sondern stattdessen angemeldet worden, so wäre diese unsere Vorgeschichte beweiskräftiger und inhaltsreicher geworden. Denn nur die angemeldeten Funde ergänzen die Vorgeschichtsforschung und damit auch die Volksbildung. Hierin liegt ihr Wert! Im verheimlichten Eigenbesitz sind sie wertlos. Darum sind zum Schutz und zur Erhaltung der ur- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer Gesetze und Bestimmungen im Gesetzblatt der DDR Nr. 54 vom 10. Juni 1954 erlassen, die besagen, dass alle Bodenfunde und Altertümer dem Volk gehören. Alle diese Funde sind innerhalb von drei Tagen dem Bürgermeister oder dem zuständigen Fundpfleger anzumelden.

Lambert Rummel, Fundpfleger im Friedatal, Kreis Mühlhausen/Thüringen
(Quelle: „Lengenfelder Echo“, Oktober-Ausgabe 1956)