Pater Marzellus Oldemöhle im Kulturkampf (Keudelstein)

Der Hülfensberg

1875 September 21. (Gotha LH 1002, Bl. 15) Der Oberpräsident in Magdeburg teilt dem Landrat v. Hanstein mit, dass die Gemeinde Bebendorf die Regierung gebeten habe, nach Auflösung der Ordensniederlassung auf dem Hülfensberg dem Pater Marcellus Oldemöhle zu gestatten, als Kaplan des Pfarrers von Geismar nach Ablegung der Ordenstracht zu fungieren. Vorher habe er schon einen Pass beantragt, um nach Amerika auswandem zu dürfen. Der Landrat solle feststellen, ob er aus dem Orden endgültig austreten wolle. Die Regierung werde dann prüfen, ob er als Adjunkt des Pfarrers von Geismar auf dem Hülfensberg Dienst tun könne. Der Landrat soll spätestens binnen acht Tagen eine Antwort geben.

1875 Oktober 2. (ebda Bl. 16) In einem Entwurf des Landrats heißt es, er sei gestern bei Gelegenheit der Schließung der franziskanischen Niederlassung auf dem Hülfensberg, die sowohl hier wie in Dingelstädt ohne Zwischenfall vor sich gegangen ist, mit Pater Marcellus zusammengetroffen. Er habe den Antrag auf Austritt aus dem Orden gestellt. Er könne aber erst dann auf dem Hülfensberg bleiben als Adjunkt des Pfarrers von Geismar, wenn dies die Regel gestatte. Er habe die beiden Häuser auf dem Hülfensberg geschlossen und die Schlüssel dem Amtsvorsteher in Geismar übergeben. Das ältere und schlechtere Haus war früher zeitweise einem Bewohner von Bebendorf gegen die Verpflichtung zur Bewachung der Kirche und Gebäude auf dem Hülfensberg überlassen, und eine ähnliche Einrichtung dürfte auch jetzt zu treffen sein, bis etwa dem Pater Marcellus gestattet wird, wieder dort zu wohnen. (Bl. 16)

1875 Oktober 19. (Bl. 22 Or.) Der Oberpräsident fordert, Pater Marcellus Oldemöhle dürfe nur dann Funktionen auf dem Hülfensberg ausüben, wenn er 1. aus dem Orden wirklich ausscheidet und 2. dartut, dass ihm für seine Person bereits vor dem Erlass des Gesetzes über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen vom 11. März 1873 der kirchliche Auftrag zur Wahrnehmung der Funktionen eines Hilfsgeistlichen an der Pfarrei in Geismar erteilt worden ist.

1876 Dezember 30. (Bl. 136) Der Gendarm von Großtöpfer teilt mit, dass Pater Marcellus, der bisher auf dem Keudelstein gewohnt hat, nach Battberg in Westfalen zu seiner Schwester gereist ist. Auf Bl. 137 fragt der Landrat am 19. 2.1877 beim Magistrat in Battberg an, ob Pater Marcellus Oldemöhle sich dort dauernd aufhalten wolle. Battberg weiß von keinem OFM und korrigiert den Namen in »Padberg«. Auch Battenberg kennt ihn nicht. Die Stadt gehöre nicht zu Westfalen, sondern zum Regierungsbezirk Wiesbaden. Er wird nach Hallenberg verwiesen. Auch dort Fehlanzeige!

Am 20. April 1877 berichtet der Gendarm, daß sich Pater Marcellus in Schöppingen am Rhein, seinem Geburtsort, bei seiner Schwester aufhalte.

1877 Juni 3. (Bl. 140) Der Gendarm von Großtöpfer berichtet, dass sich Pater Marcellus wieder auf dem Keudelstein befinde.

1878 Februar 7. (Bl. 177) Der Landrat fragt beim Gendarm in Großtöpfer an, ob Pater Marcellus auf dem Keudelstein Beichte höre, Absolution erteile und Messe lese; ob er bestimmte Personen angeben könne, welche von ihm die Sakramente empfangen oder bei ihm Messe gehört haben, und wann das geschehen ist. Darauf schreibt der Gendarm Diegmann am 14. 2. 1878, niemand wolle den Verräter spielen. Er fragt an, ob er den Pater verhaften dürfe; »denn ich habe die feste Überzeugung, wenn ich bloß Anzeige darüber erstatte, dass er sich während dieser Zeit heimlich entfernt«.

1878 Februar 15. (Bl. 178 f.) Der Landrat berichtet an v. Patow, dass Pater Marcellus auf dem Rittergut Keudelstein bei Gutsbesitzer Martin seelsorgliche Tätigkeit ausübe. Im August 1875 sei den Franziskanern auf Anordnung der Königlichen Regierung in Erfurt mitgeteilt, dass sie vom 1. Oktober des genannten Jahres sich jeder priesterlichen und seelsorgerischen Tätigkeit zu enthalten hätten, also weder predigen noch Messe lesen, Beichte abnehmen oder die heiligen Sakramente verwalten dürften. Die Niederlassungen sind dann aufgelöst, und die Mitglieder derselben haben den Kreis verlassen bis auf Pater Marcellus. Es könne ihm zwar nichts nachgewiesen werden, aber es bestehe der dringende Verdacht, dass Pater Marcellus auf dem abgelegenen Keudelstein sich seelsorglich in der dortigen Kapelle betätige. »Jedenfalls aber scheint eine genügende Veranlassung vorzuliegen, dem Pater Marcellus Oldemöhle den Aufenthalt im hiesigen Kreis nunmehr zu untersagen«.

1878 Februar 19. (Bl. 180) Der Landrat berichtet auf eine Anzeige des Gendarmen Diegmann von Großtöpfer, dass P. Marcellus auf Aussage des Luis Wenzel aus Bebendorf vom 15.des Monats amtiere, vor 14 Tagen am Sonntag, dem 3. Februar, sei seine Mutter Theresia Wenzel in Döringsdorf im Hause des Gutsbesitzers Johannes Lorenz gewesen, wo Pater Marcellus morgens früh Messe gelesen habe. Er soll auch Beichte gehört haben. Er sei nicht dabei gewesen. Der Landrat hat das Original der Anzeige dem Königlichen Staatsanwalt überreicht.

1878 März 27. (Bl. 181 b Entw.) Der Landrat berichtet an v. Patow, „dass die von Seiten der Königlichen Staatsanwaltschaft gegen den Oldemöhle eingeleitete Untersuchung erfolglos gewesen ist, da die zur Sache eidlich vernommenen Zeugen nichts ausgesagt haben, was Veranlassung zur Erhebung der Anklage hätte bieten können“. Oldemöhle habe inzwischen seinen Aufenthaltsort verlassen.

1878 April 23. (Bl. 182 Or.) Der Staatsanwalt v. Strombeck schreibt an den Landrat: „Durch das eidliche Zeugnis des Gutsbesitzers Lorenz in Döringsdorf ist völlig erwiesen, dass der jetzt entflohene Pater Marcellus Oldemöhle wiederholt geistliche Amtshandlungen unbefugt vorgenommen hat“. Er ersucht den Landrat, „die Gendarmen der Geismar’schen Gegend zu instruieren, dass sie im Betretungsfalle jenen Pater festnehmen und mir vorzufuhren haben. Eine Bekanntmachung im Kreisanzeiger unterlasse ich absichtlich, da die Mitwirkung des Publikums ohnehin nicht zu erwarten ist; dagegen habe ich einen Steckbrief an das Centralpolizeiblatt in Berlin gesandt“. Die Gendarmen von Großtöpfer und Ershausen wurden daraufhin vom Landrat in Kenntnis gesetzt.

(Quelle: Dölle, Adalbert (Hrsg.): „Der Kulturkampf und seine Auswirkungen auf dem Eichsfeld und im Fuldaer Land 1872 bis 1887“. Duderstadt: Mecke, 1987)