Lambert Rummel – Altmeister der Eichsfelder Entomologen

In Lengenfeld unterm Stein feierte Anfang Juni der Bäckermeister und anerkannte Naturforscher Lambert Rummel seinen 78. Geburtstag. Das gibt uns Veranlassung, das Lebenswerk dieses Eichsfelder Wissenschaftlers im Handwerkerstand einer kurzen Betrachtung zu unterziehen.

Rummel stammt aus Worbis, ging als Bäckergeselle auf die Wanderschaft an den Rhein und arbeitete auch zwei Jahre als Kumpel im Ruhrgebiet. Nach seiner Rückkehr in die Heimat übernahm er eine Bäckerei in Hildebrandshausen, siedelte dann aber nach Lengenfeld über.

Wie ist Rummel nun als einfacher Bäckermeister, der nur die Volksschule besucht hat, auf das Gebiet der Wissenschaft gekommen? – Schon in der Volksschule fiel er auf wegen seiner scharfen Beobachtungsgabe. Dazu besaß er eine große Vorliebe für die Natur, besonders für die Insekten alter Art. Er fing Schmetterlinge, suchte Käfer, Raupen und Puppen und beobachtete ihre Weiterentwicklung. Auf der Suche nach dem Futter lernte er die Pflanzen kennen. Und da die Pflanzen wieder an bestimmte Böden gebunden sind, kam er zur Geologie. Zuletzt forschte er nach allem, was mit der Heimat im Zusammenhang stand.

Am meisten aber interessierte ihn nach wie vor die heimatliche Insektenwelt, insbesondere die Schädlinge und Nützlinge. Er stellte eine biologische Sammlung der Insekten des Eichsfeldes zusammen. Mit seinem ältesten Sohn eröffnete er später eine Lehrmittel-Werkstatt, in der Hauptsächlich die Anfertigung von Lebensbildern und biologischen Darstellungen aller Insektengruppen, auch wissenschaftliche Tierpräparation in Dermoplastik erfolgten.

Seine größten Erfolge erzielte Rummel mit der Züchtung neuer Schmetterlingsformen. Durch Anwendung der künstlichen Zuchtwahl gelang ihm in fünfjähriger, mühseliger Arbeit eine Umformung des Buchenspinners Nagelfleck (Aglia tau) vom Rotgelb zum totalen Schwarz, zum Aglia tau extrema Rummel. Diese Neuform erwies sich als eine erbliche Mutation und hat in der wissenschaftlichen Fachwelt Aufsehen erregt. Rummel erhielt Anfragen und Einladungen von in- und ausländischen Universitäten, vor allem vom Internationalen Entomologen-Verband.

Neben der Zuchtwahl versuchte Rummel Schmetterlingsneuformen zu erzielen durch Einwirkung von Kälte und Wärme auf die Puppen. So setzte er den Trauermantel (Vanessa antiopa) in steigendem Maße der Wärme aus. Der Erfolg war auch hier überraschend: der gelbe Flügelrand verbreiterte sich und nahm eine dunkle Färbung an. – Beim Großen Fuchs (Vanessa polychloros) führte der gleiche Versuch zu einem Zusammenfließen der einzelnen dunklen Farbflecke. Mit dem Kleinen Fuchs (Vanessa urticae) erzielte er durch Einwirkung von Kälte und Wärme sogenannte Lokalformen, d. h. Formen des Kleinen Fuchs, wie sie heute in Nord- und Südeuropa (Balkan, Sizilien) vorkommen.

Trotz dieser entomologischen Forschungsarbeiten fand Rummel auch noch Zeit, eine Chronik des Dorfes Lengenfeld unterm Stein zu schreiben. Sie umfasst die Geschichte des Ortes bis 1815, eine Flurkarte mit den alten Flurbenennungen und zwei geologische Querschnitte. Sein reiches Wissen veranlasste die Behörden, ihm die ehrenamtlichen Funktionen eines Fundpflegers und eines phänologischen Beobachters zu übertragen.

Rummel hatte sich bereits zur Ruhe gesetzt und gedachte, den Rest seines Lebens mit wissenschaftlichen Arbeiten zu verbringen. Aber es kam leider anders. Als sein zweiter Sohn – der erste war bereits gestorben – aus dem letzten Kriege nicht wiederkehrte, musste er in seinen alten Tagen die Bäckerei wieder selbst übernehmen, um sie seinem noch unmündigen Enkel zu erhalten. Und so ist es auch heute noch. Aber trotzdem findet er immer noch Zelt für seine Lieblingsbeschäftigung.

Möge unserm Geburtstagskind die geistige und körperliche Frische noch recht lange erhalten bleiben, damit er noch manches Jahr erfolgreich wirken kann im Dienste der Wissenschaft und unseres geliebten Eichsfeldes.

Autor: B.-r.
(Quelle: „Eichsfelder Heimatstimmen“, Ausgabe unbekannt)